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Mittwoch, 29. November 2017

Mit links neue Kapazitäten erschließen!

Es mag schon über 25 Jahre her sein, dass der Leiter eines Fortbildungsseminares im Fach Sport während einer Fortbildungsveranstaltung von einer Untersuchung erzählte, die man mit Hilfe von Tischtennisspitzensportlern durchgeführt hatte:

Die Teilnehmer waren in zwei Gruppen aufgeteilt worden. Die eine Gruppe trainierte wie gewohnt intensiv, Rechtshänder mit rechts, Linkshänder mit links.

Die zweite Gruppe trainierte intensiv auch mit ihrer ungewohnten Hand.

Wer als Rechtshänder schon einmal mit der linken Hand Tischtennis gespielt hat - man kann meiner Erfahrung nach sagen: spielen musste - weiß, dass man spätestens nach fünf Minuten das übergroße Bedürfnis verspürt, wieder "normal" spielen zu dürfen. Vergleichbar ist es mir übrigens auch im Fußball ergangen: mit links kicken zu müssen ist einfach nur eine Qual.

Überraschend aber war das Ergebnis der beiden Tischtennisgruppen, vor allem, wenn man bedenkt, dass gerade bei Spitzensportlern meist nur noch Verbesserungen im Nano-Bereich zu erzielen sind, weil sie als austrainierte Leistungssportler ohnehin an der Grenze ihres Leistungsvermögens agieren.

Der Veranstaltungsleiter aber berichtete:

Die Verbesserungen, sprich Trainingsergebnisse der Gruppe, die auch mit ihrer schwachen Gegenhand gearbeitet hatte, waren bei ihrer starken Hand signifikant höher als bei jener Gruppe, die nur mit ihrer ohnehin starken Hand trainiert hatte.

Obwohl die Gruppe, die beidseitig gearbeitet hatte, doch ihre starke Hand deutlich weniger trainiert hatte, waren die Forschritte auch bei der starken Hand klar erkennbar.

Leider weiß ich nichts Genaueres mehr über diese Untersuchung, aber glaubhaft und überzeugend ist ihr Ergebnis, denn mit der sogenannten schwachen Hand sind in relativ kurzer Zeit erhebliche Fortschritte zu erzielen. Das heißt, dass im Bereich der motorischen Gehirnrinde ganz viel geschehen kann, weil einfach noch viel Kapazität da ist und Verbesserungsmöglichkeiten binnen kurzer Zeit möglich sind, im Vergleich zu den ausgereizten und ausgravierten Räumen der Gehirnrinde, die die Gravuren der "guten" Hand aufzeichnen.

Da aber das Gehirn untereinander verschaltet ist und Veränderungen sich auf das Gesamthirn übertragen und die Verbindung zwischen den beiden Gehirnhälten, das corpus callosum eine erhebliche Rolle spielt in Bezug auf ganzheitliches Lernen und Lernzuwächse überhaupt, verwundert das Ergebnis der Untersuchung keineswegs.

Es ist also nur zu empfehlen, dass wir immer wieder Dinge sehr bewusst mit unserer sogenannten schwächeren Hand tun und auch im Hinblick auf Lernen und Fühlen neue Bahnen gehen.

Überhaupt kann es sehr segensreich sein zu erkennen, dass es viel Raum gibt für neue Bahnen; normalerweise liegen sie im Dunkel unseres Bewusstseins. Auf einmal, wenn wir auch die ungewohnte Seite einbeziehen, richten wir nicht mehr unsere Blicke auf die gewohnten Anziehungspunkte, wir denken vor dem Einschlafen den Tag noch einmal rückwärts, wir verwenden die Maus mit der anderen Hand und spülen mit links.

Mit der Zeit könnten wir feststellen, dass wir Dinge mit "links machen", die sonst immer so aufwändig waren und auch unsere Sinne und unser Denken sich ungewohnte Areale erschließen.

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