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Donnerstag, 3. August 2017

Manchmal ist Gott einfach zum Verzweifeln! (aus dem Kellergewölbe von Platons Höhle)

Gerade hatte ich mich mal wieder durch ein tiefes Sinnloch hindurchgehangelt, da traf ein von mir antiquarisch bestelltes Buch ein, das mir eine liebe frühere Kollegin so dringend empfohlen hatte und es sogar für mich bezahlen wollte, nur, damit ich es hätte, so dass mir nichts übrig geblieben war, als es schleunigst selbst zu ordern. Es waren die Worte des Meisters von Paramahansa Yogananda, dem aus Indien stammenden Yogameister, Philosophen und Schriftsteller, den seine Schüler als einen Avatar verehren, eine Wesenheit also, die nicht hätte inkarnieren, nicht also hätte Mensch werden müssen, doch es den Menschen zuliebe tat.
Nur als kleine Anmerkung: Der größte Avatar war im Rahmen dieses Bewusstseins Christus, der  in dem Menschen Jesus nach der Taufe durch Johannes den Täufer für drei Jahre in dessen Körper inkarnierte und durch Jesu Tod und mit der Tatsache, dass dessen Blut die Erde berührte, sich als Christus auf ewig mit ihr verband (für mich bezeichnet Christus im Übrigen weniger eine Religion, sondern eine Bewusstseinsstufe).

Zurück zu Yogananda und seinem Buch, in dem ich ein wenig blätterte und unseligerweise auf Sätze wie diesen traf:
Um eine mannigfaltige Schöpfung ins Leben zu rufen, musste der Herr jedem Ding den Anschein der Individualität verleihen.
Da waren sie wieder, meine Zweifel am Sinn meiner Existenz im Rahmen der Vorstellung, dass der Mensch, durch Gott geschaffen, sich im Laufe der Evolution zu einer Individualität entwickelt hat, die er aber, wenn er sich durch die Maya des Irdischen mittels vieler Inkarnationen hindurchgekämpft hat, wieder aufgeben wird zugunsten eines großen Allbewusstseins.
Kleine Anmerkung zu dem Begriff Maya: Er bezeichnet die irdischen Formen und Gegebenheiten, die den göttlichen Geist, der doch die wahre Wirklichkeit ist, auf so gekonnte Weise verstecken können. Maya wird oft mit Illusion gleichgesetzt, mit menschlich-irdischen Illusionen wie Reichtum, Genuss  und Ähnlichem. 
Ehrlich gesagt halte ich solches Denken nicht für sinnvoll, weil es den Stellenwert und die Bedeutung des menschlichen Seins auf der Erde nivelliert. Nur wer ein Bewusstsein davon hat, wie wertvoll Maya ist, kann sie überwinden. Alles esoterische Gesäusel von wegen Maya = Illusion tut das meines Erachtens sehr oft nicht.

Anschein der Individualität?

Ich dachte immer, ich könne das ernst nehmen, dass der jüdische Gott Jahve mit seinem Ich bin der IchBin ultimativen Wert darauf gelegt hatte, dass jeder zu einem Ich-Bewusstsein gelange, wohlgemerkt nicht zu Egoismus und Personenkult, sondern zu einem Ich-Bewusstsein, das ihm Ich-Findung ermöglicht.
Für mich war das eigentlich die zentrale Mission des jüdischen Volkes gewesen, dass dem Menschen - damals noch im Rahmen festen Eingebundenseins in Stämme - ein individuelles Bewusstsein als Möglichkeit der Entwicklung vermittelt werde (was auch meines Erachtens gelang). 

Alles ist Maya, auch die Ich-Findung?

Wozu das ganze Spiel?

Unglücklicherweise traf ich in dem Büchlein auf die Frage eines Yogananda-Schülers:
Meister, warum muss die Vorstellung weitergehen? (Yogananda hatte zuvor von dem irdischen Schauspiel gesprochen).
Yoganandas Antwort war:
"Das ist Gottes Lila - Sein Spiel oder Sein Zeitvertreib . . . Er hat das Recht, sich in zahlreichen Formen auszudrücken, wenn Er es so wünscht. Wenn Gott sich nicht in den Schleier der Maya hüllte, gäbe es kein kosmisches Schöpfungsdrama. Wir dürfen Versteck mit ihm spielen und nach ihm suchen, bis wir ihn finden und den Höchsten Preis gewinnen.
Wir dürfen Versteck mit ihm spielen?

Wir als Gottes Zeitvertreib?

Verehrter Yogananda - ich gehe davon aus, dass Du mich auch jetzt hörst -, schau mal das Leid in Syrien an, das Leid in vielen Teilen Afrikas, in Venezuela oder an anderen Orten, wo Krieg herrscht, z.B. in der Ukraine, oder wo Menschen einfach, weil ein kranker Narzisst herrscht, auf nicht absehbare Zeit in Gefängnisse geworfen werden, wie in der Türkei. Über sechzig Millionen Menschen sind auf der Erde auf der Flucht. Vor dem Menschen.
Und das ist ein Ausschnitt des Jahres 2017. Im Dreißigjährgen Krieg war es kaum besser oder im Ersten oder Zweiten Weltkrieg - dabei leben wir jetzt in Friedenszeiten!

Auf dieses Versteck-Spielen kann ich verzichten.

Und ich rede nicht von noch relativ belanglosen Einzelschicksalen wie dem meiner älteren Schwester, die sich eine künstliche Hüfte einsetzen lassen musste, was allerdings zur Folge hatte, dass sich die Wunde infizierte. Ein Jahr lag sie in einem Krankenhausbett, jeden Tag Infusionen, jeden Tag Trostlosigkeit, mehrfaches Öffnen des Beins, mal ein wenig Hoffnung, mal Verzweiflung, wobei schlussendlich zur Debatte stand, dass ihr das Bein abgenommen werden müsse. Heute lebt sie in einem Pflegeheim, an den Rollstuhl gebunden, weil ohne Hüfte; die hat man schlussendlich einfach draußen gelassen, draußen lassen müssen. Ich finde sie unendlich tapfer. Und ihr Schicksal ist, verglichen mit anderen, von denen man manchmal liest, nicht einmal sooo schlimm.

Versteck-Spiel?

Sag das mal meiner Schwester, Yogananda!
Sag das den vielen Kindern, die in zerbombten Ruinen leben!
Sag das den Menschen, die, weil sie zu viel Giftgas einatmeten, weder leben noch sterben können!
Die mit Hilfe von Müllkippenresten ihr Leben friste!

Ich verstehe, dass ein jüdischer Rabbi - ich hoffe, ich gebe aus meiner Erinnerung heraus die Legende dem Sinn nach angemessen wieder - vor Gottes Thron trat und verzweifelt auf das Elend der Menschen hinwies und um ein Ende bat, worauf Gott ihm antwortete: Du siehst nicht das Ziel!

Ich sehe es leider auch nicht, aber natürlich habe ich von ihm gehört, gehört und gelesen, dass erst einmal in einigen tausend Jahren ein Kampf aller gegen alle stattfinden wird - es deutet sich manches ja schon an, wenn z.B. Millionen von Menschen den Herrn aller Lügen zum Präsidenten des mächtigsten Landes der Welt gewählt haben (in Goethes Faust nennt er sich Mephisto) -, ein Kampf aller gegen alle, von dem in Matthäus 24 geschrieben ist:

21 es wird dann eine große Bedrängnis sein, wie sie nicht gewesen ist vom Anfang der Welt bis jetzt und auch nicht wieder werden wird.
22 Und wenn jene Tage nicht verkürzt würden, so würde kein Mensch gerettet werden; aber um der Auserwählten willen werden diese Tage verkürzt.
Das muss schrecklich sein und wird vermutlich ähnlich den Kataklysmen sein, als Atlantis und vorher schon das Land Mu untergingen, jenen Wendepunkten in der Zeitgeschichte unseres Planeten, in deren Rahmen nicht nur in der griechischen Philosophie Katastrophen gigantischen Ausmaßes angesprochen sind.

Danach, glaubt man den Voraussagen, wird es viel besser sein, aber noch lange nicht das Ende der menschlichen Entwicklung, auch wenn uns die Kirchen das weismachen wollen; es steht ja bei korrekter Übersetzung nicht in der Bibel, was uns erzählt wird. Meiner Auffassung nach steht das Jüngste Gericht nicht am Ende aller Zeiten, sondern eines Zeitalters (so lässt sich die Bibel und das Wort Äon auch übersetzen - und für mich macht das mehr Sinn).

Mir hilft nicht weiter, den Weg derer zu gehen, die das ganze Problem lösen, indem sie Gott streichen und ein Leben nach dem Tod. Dazu gibt es, bei Lichte besehen, zu viele Zeugnisse, dass es anders ist, als Atheisten sich das wünschen. Wer glaubt, alle Mythen, die Veden, die Baghavadgita oder die Bibel seien dem Kompost menschlicher Phantasie entsprungen, darf das tun, aber mein Inneres sagt, dass das Dhammapada, der Sammlung der Buddha-Worte, Recht hat, wenn es dort heißt:
Alle Dinge entstehen im Geist,
Sind unseres mächtigen Geistes Schöpfung.
Zu glauben, dass der Mensch einmal als singuläres Wesen auftaucht und dann wieder verschwindet, finde ich einfach nur banal gedacht. Klar, körperlich in der jeweiligen Version schon, aber seelisch nicht.

Manchmal weiß ich nicht, wie Menschen es machen, so glaubens- und vertrauensvoll durchs Leben zu gehen.
Es ist entweder eine hohe Kunst oder eine große Selbstblendung; vermutlich ist beides möglich, je nach Grad der seelischen Entwicklung (ich glaube, ich habe mehr Selbstblender kennengelernt, wenn ich dennoch auch im Einzelnen großen Respekt vor ihren Bemühungen habe).

In mir gibt es eine Seite, die findet das Versteckspiel und den Zeitvertreib Gottes völlig daneben - wobei ich dann doch nicht glaube, dass die Wortwahl des göttlichen Avatars Yogananda gelungen ist und Gott, wie immer er auch ist, was immer er auch ist und wie auch immer er ist - sich so menschenverachtend ausdrücken würde. 
(Klar kenne ich das Gesülze, dass es ohne Leid nicht geht, dass der Mensch zu tieferer Einsicht kommt - ich weiß es ja selbst, aber in solchen Phasen kann ich das überhaupt nicht hören; mir ist dann das ganze Spiel oder Versteckspiel oder Gottes Zeitvertreib zuwider).

Jedenfalls, wenn solche Gedanken mich übermannen, dann weiß ich, dass ich im Keller von Platons Höhle bin.

Ja, ich weiß auch, dass nicht Gott, was immer er ist, wie immer er ist und warum immer er ist,  zum Verzweifeln ist, sondern mein kleiner Verstand.

Der mich sich im Kreis drehen lässt.
Auch das weiß ich.
Nur frag ich mich trotzdem: Wie machen das andere, dass ihnen der Sinn so nahesteht?
So kontinuierlich. 
So unverbrüchlich.

Muss man sich das einfach nur einbilden, an Gott zu glauben? Krass und kategorisch?

Gott sei Dank krabbele ich dann irgendwann wieder über den Höhlenrand von Platons Höhle.

Aber diese verdammten Schwarzen Löcher haben einen Sog, dem man zwar durchaus entkommen kann (entgegen der Meinung aller versammelten Wissenschaftler), doch manchmal weiß ich selbst nicht, wie . . .
Es ist einfach die Zeit, die dann hilft (und ihr Gefolge, denn allein kommt sie nie).

Yogananda mag Recht haben, wenn er einem Schüler sagt:
Die meisten Menschen begreifen nicht, dass das größte aller Wunder darin besteht, sich innerlich zu wandeln und sich demütig seinem Willen zu unterwerfen.
Dass ein Bewusstsein, das höher ist, als dass wir Menschen es erfassen könnten, existiert, davon bin ich fest überzeugt, sonst hätten wir längst alle offen Fragen klären können - in der Astrophysik z.B. die nach den Schwarzen Löchern, der Dunklen Energie und der Dunklen Materie. 
Zu den großen Kapazitäten der Physik schauen wir bewundernd auf, mögen sie Einstein oder Planck heißen. Selbiges tun wir auch im Hinblick auf große Künstler oder politisch wirkende Menschen wie Gandhi oder Nelson Mandela. Nur wenn es gilt, zu jenem Bewusstsein aufzuschauen, heiße es Gott oder wie auch immer - der Name spielt letztendlich keine Rolle -, dann tun wir, tue ich mir immer oder in gewissen Phasen unsagbar schwer. Obwohl es unfassbare Wunderwerke geschaffen hat, zum Beispiel den menschlichen Körper. Genialer kann man ein Geflecht von Muskeln, Sehnen, Blutbahnen, Gehirnzellen, Hormonen und Knochen oder auch einem System wie der Haut nicht komponieren. Dass dieses Wunder sich zufällig zustande gebracht hat: Das glaube ich nun mal nicht!

Von Demut zu säuseln fällt meistens leicht; warum sie so schwer fällt, das muss damit zusammenhängen, dass man so schwer durch Scylla und Charybde hindurchkommt - Odysseus kann ein Lied davon singen (Homer hat es in der Ilias für ihn getan) - oder durch das Tor der Sphinxen wie Atréju in Michael Endes Unendlicher Geschichte.
Es muss damit zusammenhängen, dass man die Balance zwischen Selbst-Bewusstsein und Demut nicht findet und einseitig immer auf eine Seite fällt (wie Odysseus). Eine sich selbst verleugnende Demut ist genauso falsch wie Hochmut.

Ich vermute auch, dass es eine scheinheilige Demut gibt. Vielleicht einer der gefährlichsten Viren auf der menschlichen Festplatte.
Nur die ehrliche Demut vermag einen Scylla und Charybde bzw. das Tor der Sphinxen passieren lassen! Sie aber weiß um den Wert des eigenen Selbst.

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