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Freitag, 23. Dezember 2016

Bergkristall-Weihnachten

Zu einer Zeit, als noch an deutschen Schulen Novellen wie Theodor Storms Schimmelreiter oder sein Pole Poppenspäler, die Judenbuche der Droste und Gottfried Kellers Kleider machen Leute gelesen wurden, war Adalbert Stifters Erzählung Bergkristall der Deutschen liebste Weihnachtsgeschichte. Obwohl fast vergessen: Sie enthält einen der schönsten Sätze, die je ein Kind über die Christnacht gesagt hat.

Geschrieben hat sie ein Mann, geboren 1805 in Böhmen, dessen Stil unter Germanisten durchaus umstritten war und ist. Unterstellt wurden vor allem seinem Altersstil zu viele Wiederholungen und eine oberflächliche Darstellungsweise. – Wissenschaftler tun sich nun einmal schwer, Leute so sein lassen, wie sie sind.

Gewiss allerdings ist, dass heute die meisten Jugendlichen ein Gutteil seiner Erzählungen, so auch Bergkristall, nach der ersten Seite wegzappen würden – und viele Erwachsene sicherlich auch, zumal die Novelle zunächst, für manchen sicherlich zu langatmig, auf die kirchlichen Festtage wie Ostern und Pfingsten und schließlich auf Weihnachten eingeht und wir unter anderem vernehmen, dass die Kinder nicht eher das Zimmer betreten durften,
als bis das Zeichen gegeben wird, dass der heilige Christ zugegen gewesen ist und die Geschenke, die, er mitgebracht, hinterlassen hat. Dann geht die Tür auf, die Kleinen dürfen hinein, und bei dem herrlichen, schimmernden Lichterglanze sehen sie Dinge auf dem Baume hängen oder auf dem Tische herumgebreitet, die alle Vorstellungen ihrer Einbildungskraft weit übertreffen, die sie sich nicht anzurühren getrauen, und die sie endlich, wenn sie sie bekommen haben, den ganzen Abend in ihren Ärmchen herumtragen und mit sich in das Bett nehmen. Wenn sie dann zuweilen in ihre Träume hinein die Glockentöne der Mitternacht hören, durch welche die Großen in die Kirche zur Andacht gerufen werden, dann mag es ihnen sein, als zögen jetzt die Englein durch den Himmel oder als kehre der heilige Christ nach Hause, welcher nunmehr bei allen Kindern gewesen ist und jedem von ihnen ein herrliches Geschenk hinterbracht hat.


Will das heute noch jemand lesen?



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