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Samstag, 19. Juli 2014

Wie kommt der Karlfried durch den Dürckheim? - Über die Bedeutung von Vornamen und Familiennamen.


Endlich mal wieder Zeit für einen Post. In über 30 Jahren meines Lehrerdaseins habe ich es nicht geschafft, die letzten Arbeiten so zu legen, dass ich nicht fast jedes Jahr zum Ende hin in absoluten Stress komme, noch dazu, wenn alle Zeugnis-Noten ausgerechnet und entschieden sein müssen.

Es ist einfach beim Korrigieren unheimlich anstrengend, die Gedanken von Menschen nachzuvollziehen, vor allem, wenn sie manchmal etwas verworren sind und man gern Hinweise geben möchte, wie das zu vermeiden ist. Und dann die Noten . . .

Für Jugendliche, die gute erhalten, kein Problem. Wer aber gibt gern Noten, wenn sie nicht gut sind? – Ich vermute, vor dem habe ich mich immer jedes Jahr möglichst lange gedrückt, jedenfalls vor der letzten Serie der Arbeiten.

Wer weiß, vielleicht hängt das alles bei mir mit dem folgenden Thema zusammen:

In Meyer-Galows Buch Leben im Goldenen Wind, das ich nicht generell empfehlen möchte, weil es für mich doch einige Schwächen aufweist, es aber auf der anderen Seite zwei wertvolle Kostbarkeiten enthält und viele oft sehr ausführlich zitierte Buchpassagen, die dem ein oder anderen auch durchaus Anregungen sein könnten auf seinem Weg, den Goldenen Wind in sein Leben zu integrieren, findet sich jedenfalls eine Kostbarkeit, die ich außerordentlich wichtig finde - die zweite im Übrigen ist das zweiseitige Kapitel über den Goldenen Wind und dessen Symbolik.

Die erste Perle bezieht sich auf die Bedeutung des Vornamens und die Rolle des Nachnamens in unserem Leben. Meyer-Galow verweist auf Karlfried Graf Dürckheim, den 1988 in Todtmoos verstorbenen Diplomaten, Psychotherapeuten, Zen-Lehrer und weltweit gelesenen Buchautor, der immer sehr gerne gesagt habe:

Die wichtigste Aufgabe in meinem ganzen Leben war immer wieder die Frage: Wie kommt der Karlfried durch den Dürckheim?
Der Weise aus Todtmoos, der sein therapeutisches Zentrum im Schwarzwald gründete, wies darauf hin, dass der Vorname unser Wesen symbolisiere. Gemeint ist der Vorname, wie er im Stammbuch eingetragen ist, auf keinen Fall eine abgekürzte Version, womöglich eine indisch-esoterische Variante oder sonst etwas, was man gern sein oder wie man sich gern inszenieren möchte.

Der Nachname steht nach Meyer-Galow für das, was wir in der Welt erreicht haben, er bezeichnet ihn als "ICH in der Welt".

Schiller, für den das Thema der Unterscheidung von Sein und Schein ein zentrales Thema z. B. in seiner Maria Stuart war, würde ihn dem Schein zuordnen. Er beinhaltet unsere Rollen, die wir beruflich spielen, die Funktionen, die wir innehaben, was wir an Verpflichtungen übernommen haben, was eben alles der Nachname so generationenübergreifend beinhaltet und weitergibt: die Familie. Ein schwerer Packen!

Nicht, dass dieser Nach-Name grundsätzlich von unserem wahren Wesen getrennt sein muss - oft aber ist er es.

Nach Meyer-Galow sieht unsere persönliche Ausgangssituation in der Regel so aus:





Es heißt bei ihm:
Der dicke Strich unter Ihrem Namen ist Ihr ganzes Dilemma. Mit dem Strich trennen Sie Ihren Vornamen von Ihrem Nachnamen ab. Als Kind wurden Sie nur mit Ihrem Vornamen angesprochen. Sobald Sie erwachsen sind, spricht man Sie in der Regel nur mit Ihrem Nachnamen an. Der Nachname steht also gewissermaßen für das, was Sie in der Welt erreicht haben. Es symbolisiert Ihr ICH in der Welt. (...) Sie haben es gar nicht gemerkt, dass ihr ICH durch eine dicke Mauer zunehmend vom Wesen getrennt wurde (...) Es geht für Sie und für alle anderen Leserinnen und Leser um ENTGRENZUNG Ihres ICH.
Auf was Meyer-Galow nicht aufmerksam macht, ist, warum der Nachname, den er besser auch als Familienname bezeichnen würde, all die Normierungen enthält, die das ICH so stark machen und das Wesen reduzieren, minimieren: weil dieser Name für all die familiären Normierungen und Gesetzlichkeiten steht, die eine Familie mit sich bringt. Als Namensgeber gibt der Vater sein Bewusstsein weiter und, wenn er es nicht reflektiert hat, das Bewusstsein seiner ganzen Familie und all der Väter, die hinter ihm stehen.

Jede Familie hat ihre Gesetzlichkeiten, mittels deren festgelegt ist, wie gelobt wird, wie bestraft wird, wie Liebe praktiziert wird, wie über andere gesprochen wird, wie man dem Leben gegenüber tritt, ob offen und vertrauend oder vorsichtig, ja skeptisch. Und da in Mann und Frau, in Vater und Mutter zwei Familienkreise aufeinandertreffen, können sich Gesetzlichkeiten widersprechen oder - z. B. für die Kinder - sehr widersprüchlich sein. - So empfinden Kinder dann das Leben, empfinden dann, oft unbewusst, eine Unvereinbarkeit des Männlichen mit dem Weiblichen oder eine große Harmonie, ein wertvolles Sich-Ergänzen, ein Gemeinsam-stark-Sein.

Im Rahmen dieser familiären Gesetzlichkeiten ist also beileibe nicht alles schlecht, keineswegs, da kann z.B. ein überzeugendes Wertebewusstsein verankert sein, die Bereitschaft, in die Welt zu gehen und zu wirken.

Allerdings, in diesen althergebrachten Namen stecken auch die ganzen überholten Familienmuster drin, die uns unentrinnbar normieren, wenn wir ihnen nicht ihre Macht nehmen.

Und diese Muster sind mächtig, ja oft letztendlich todbringend, todbringend für unser Wesen.

Man sieht und spürt es Menschen oft an, wie wenig in ihnen wirklich lebt, wie viel in ihnen abgestorben ist. Erschütternde Beispiele der Macht von Familien finden wir immer wieder, man denke nur an Franz Kafkas Brief an seinen Vater, ein einziger Aufschrei nach Leben. – Nie abgesandt!

Familienstrukturen können Kindern die Luft zum Atmen nehmen. Nicht von ungefähr war Franz Kafkas Lunge so krank, musste er doch recht früh sterben.

Nicht in allen Familien sind, wie gesagt, diese Muster gleichermaßen stark. Meine Familie hatte jede Menge starker Muster!

Das alles kann dann dazu führen, dass die - überholten - gesellschaftlichen Muster so stark wirken können. Oft zementieren sie ja familiäre Muster endgültig.

Manchen lässt die Familie große Freiheiten. Solche Menschen gibt es auch; bisweilen haben sie es nicht leicht; sie werden sehr beneidet. In ihnen spiegelt sich ja eine Freiheit, die die meisten nicht haben.

Fortsetzung
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