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Samstag, 4. Mai 2013

Das EGO als großer Gaukler. – Die Versuchung durch den Ring, den wir doch alle in Händen halten!

Zunächst war da vielleicht nur eine leise Verdunkelung des weißen Lichts.
Vielleicht mag es so gewesen sein, als sich der Mensch von seinem Ursprung entfernte, von seinem wahren Sein. Christen würden dieses wahre Sein als die Gotteskindschaft des Menschen bezeichnen, Buddhisten als seine Buddhanatur, Hinduisten würden von Atman, unserem ewigen göttlichen Sein sprechen.
Einst lebten wir alle im Goldenen Zeitalter, im Paradies, im Es war einmal der Märchen, als es noch den Guten König und die Gute Königin gab. 

Vorbei ... diese Zeiten sind Millionen von Jahre vorbei ... wir sind mitten auf der Reise ... hoffentlich sind wir schon auf dem Teil der Reise, wo der verlorene Sohn, die verlorene Tochter das Vater-Mutter-Haus sehen ...

Aus dieser anfänglich fast unauffälligen Verdunkelung mag sich nach und nach das Dunkel entwickelt haben und seine führenden Gestalten wie der Dunkle Herrscher, wie wir ihn im Herrn der Ringe finden.

Ich weiß nicht, ob schon jemand eine Zulassungs- oder gar eine Doktorarbeit über die biblischen Anklänge in Tolkiens Buch geschrieben hat; sie sind mit Händen zu greifen. Nach 700 Seiten vom Herrn der Ringe lese ich jedenfalls eine Stelle, die nicht nur starke Anklänge an die Versuchung Jesu durch den Teufel, wie wir sie aus der Bibel kennen, aufweist, sondern faszinierend ist, weil sie in eigentlich wenigen Zeilen zeigt, wie das Ego funktioniert, jenes Sein, das uns glauben lässt, wir seien in diesem Ego-Zustand wir selbst, wir seien frei in unsren Entscheidungen, jenes Sein, das Faust verblendet fragen lässt: Bin ich ein Gott, mir wird so licht ... 
Was er nicht wusste, wie sehr ihn Mephisto schon in Beschlag genommen hatte, wie dunkel es um ihn schon war, wenn er sich nicht direkt in der ehrlichen Liebe Gretchens befand ...

Fast hätte sich in der folgenden Stelle aus dem Herrn der Ringe Sam an das Ego verloren, der kleine und doch so tapfere Hobbit. Fast hätte er sich an den Ring verloren, jenes Medium in den Büchern Tolkiens, das es schafft, den Menschen von seiner Bestimmung auf ein falsches Gleis zu lenken, wie wir es als Menschen nun über Äonen erlebt haben und erleben. Wir alle, die wir auf der Erde leben, halten diesen Ring im Grunde in Händen und vielleicht sucht der ein oder andere, ihn loszuwerden. Manche tun auch so, als würden sie ihn nicht kennen oder als hätten sie seine Gefahr im Griff; meist sind gerade diese total geblendet ...
Von sich selbst!

Sam nun trägt momentan diesen Ring, weil Frodo, der eigentliche Ring-Träger, in die Hände des Dunklen Herrschers gefallen ist und just in diesem Moment womöglich von Orks gefoltert wird. Frodo wollte mit Hilfe Sams den Ring dahin bringen, wo er entstanden ist; nur dort kann er vernichtet werden. Allerdings sollte der Ring-Träger im Rahmen dieser Ring-Vernichtungs-Mission den Ring möglichst selbst nicht benutzen. 
Doch Sam und sein Freund Frodo scheinen kurz vor dem Ziel zu scheitern. Momentan also trägt Sam den Ring; er nahm ihn Frodo ab, als er diesen für tot hielt, um die Mission zu vollenden. 
Nun, in dieser prekären Situation, in der sich Sam befindet, entwickelt der Ring seine so große Suggestivkraft. 
Von Sam heißt es im ersten Kapitel des 6. Buches, überschrieben Der Turm von Cirith Ungol:

Nun dachte er an den Ring, aber auch das war alles andere als beruhigend. Kaum hatte er von fern den Schicksalsberg glühen gesehen, da bemerkte er eine Veränderung seiner Last. Als der Ring sich den großen Werkstätten näherte, wo er in den Abgründen der Zeit einst gegossen und geschmiedet worden war, da wuchs seine Macht, und der Ring wurde wilder, unbezähmbar, es sei denn er würde bezähmt durch einen gewaltigen Willen. Obwohl Sam ihn jetzt nicht am Finger, sondern an der Kette um den Hals trug, kam er sich vergrößert vor, eingehüllt in einen riesenhaft entstellten Schatten seiner selbst, eine dunkle, drohende Gefahr vor den Wällen von Mordor. Ihm schien es, als habe er nur noch zwei Möglichkeiten: auf den Ring zu verzichten, so schwer ihm das fiele; oder ihn für sich zu behalten und der Macht, die dort im Dunklen Turm hinter dem Tal der Schatten saß, entgegenzutreten. Schon verlockte ihn der Ring, er nagte an seinem Wllen und Verstand. Kühne Phantasien stiegen in ihm auf: Samweis der Starke, Held seines Zeitalters, wie er mit Feuer und Schwert durch die dunklen Lande zog, der Heerführer, der Barad-dûr dem Erdboden gleichmachte. Und dann würde sich alles Gewölk verziehen, und die helle Sonne würde scheinen, und auf seinen Befehl würde aus dem Tal der Gorgoroth ein Garten voller Blumen und Bäume und Kartoffeläcker. Er brauchte nur den Ring aufzustecken und ihn zu seinem Eigentum zu erklären, und all dies könnte geschehen.

In dieser Stunde der Versuchung war es vor allem die Treue zu seinem Chef, die ihn standhalten ließ; aber auch sein solider Hobbitverstand war noch nicht ganz zertrümmert: im Grunde seines Herzens wusste er, dass er nicht das Zeug dazu hatte, eine solche Last zu schultern, auch wenn ihm diese Bilder nicht nur vorgegaukelt gewesen wären, um ihn zu übertölpeln. Das kleine Stück Garten für einen freien Gärtner war alles, was er brauchte und was ihm zustand, nicht ein zur Größe eines Königreichs ausgewucherter Garten; und mit den eigenen Händen wollte er arbeiten, nicht anderer Leute Hände befehligen.

»Und all diese Flausen sind ja sowieso nur ein Trick«, sagte er sich. »Der würde mich finden und mich ducken, ehe ich Piep sagen könnte. Der hätte mich ganz schnell beim Wickel, hier in Mordor, wenn ich jetzt den Ring aufsteckte ...

"... kam er sich vergrößert vor, eingehüllt in einen riesenhaft entstellten Schatten seiner selbst ..."

Genau das ist der Punkt: Die Menschen werden größer, größer und größer, so groß, dass sie sich in dieser Größe selbst verlieren.
Sie verlieren sich an das Ego ... das hat immer weniger mit ihnen zu tun, immer mehr mit DEM, der Sam dann am Wickel hätte, der Dunkle Herrscher ...
Manche, ja viele hat er am Wickel, die meisten merken es nicht.
Und manche glauben, sie seien vor ihm gefeit ... mit denen hat DER das leichteste Spiel ...

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