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Sonntag, 24. März 2013

Die Liebe steht am Pfahl gebunden! – Ist es deshalb so kalt? – Eduard Mörikes "Peregrina V"


Heute bin ich über eine Wiese gelaufen, auf der sich nicht eine Spur von frischem, jungem Gras zeigte. Und erinnere ich mich recht, dass im letzten Jahr schon Schlüsselblumen um diese Zeit zu sehen waren? Weiß nicht, vielleicht war es auch 14 Tage später, jedenfalls sah es vor einem Jahr so schön aus:


Meine Lieblings-Schlüsselblumen-Wiese

Morgen beginnt die Kar-Woche und es ist richtig kalt.

Es mag irgendwie kein Zufall sein.

Montag, Dienstag, Mittwoch sind die sogenannten Stillen Tage, die auf den Einzug der Liebe in Jersusalem vorbereiten.

Normalerweise strömt da alles selbstvergessen nach Italien oder ins Freie, ist aus dem Häuschen.

Dabei vergessen wir schon lange, dass die Liebe seit langem kein Haus mehr unter uns Menschen hat, sie wohnt weder unter uns noch in uns. Jedenfalls glaube, ich, es gilt für viele Menschen. Zu viele.

Pfingsten, Weihnachten, Ostern – wer weiß noch, was es damit auf sich hat? Wen interessiert noch das Schicksal der Liebe?

Eduard Mörike hat es vor ca. 180 Jahren interessiert. Allerdings vor allem deshalb, weil er seine große Liebe verlor, die er in seinem Roman Maler Nolten Peregrina nannte. Sie, die Vagantin, die er als Kellnerin kennenlernte, wollte nach einer Zeit der Trennung zu ihm, dem angehenden Theologen, wollte ihn wiedersehen. Doch er verweigerte sich, verweigerte sich seiner großen Liebe. So blieb ihm Maria Meyer ewig eine Fremde, eben eine Peregrina. - Mir scheint, es war die Liebe seines Lebens und mir ist auch, als ob er das immer gewusst hätte, auch wenn er Anläufe nahm zu heiraten oder ernsthafte Liebesbeziehungen einzugehen. Möglich, dass immer Mutter und Schwester zwischen ihm und den Frauen standen, wir sehen nicht detailliert in Menschen hinein, und das ist auch gut so. Manches, was wir als negativ und psychologisch hochtrabend erklären würden, könnte sich als Grund herausstellen, warum es in manchen Dichter solche Quellen der Inspiration gab. Leid ist eben nicht nur vordergründig Schicksal, sondern auch manchesmal Musen-Gabe, göttliches Geschenk.

Unter den vielen Peregrina-Gedichten sticht Peregrina V hervor, denn das erste Quartett innerhalb dieses Sonetts ist zu bezeichnend für den Zustand der Liebe auf der Erde. Hier geht es nicht (nur) um Mörikes Liebe, hier geht es um DIE LIEBE.

Jedenfalls musste Mörike so schreiben:

Die Liebe, sagt man, steht am Pfahl gebunden,
Geht endlich arm, zerrüttet, unbeschuht;
Dies edle Haupt hat nicht mehr, wo es ruht,
Mit Tränen netzet sie der Füße Wunden.
Alle weiteren Strophen sind Biografie, die Frage, wie man nur so dumm sein kann, solch eine Liebe zu verlassen, die Tatsache, wie glutvoll ihre Wangen waren, wie kaum zu bändigen sie war, dass sie wie ein Frühlingssturm über ihn kam, wie Stürme voller Frühling ... und eine Menge Botticelli ist auch dabei, die wilden Kränze, gewunden in ihr Haar ...

Kann uns die Liebe, DIE LIEBE verlassen?

Eine Frage, die sich niemand stellt.

Wie selbstverständlich gehen wir davon aus, dass sie selbstverständlich kommt, wenn wir so gnädig sind, uns ihr zuzuwenden.

Wie ein dressierter Hund kommt sie, wenn wir pfeifen.

Wenn wir uns da mal nicht vertun!

Es könnte sein, dass sie sich bereits abgekehrt hat und nie mehr zurückkommt. Man merkt nicht, dass man sie schon längst gekreuzigt hat und als Trojaner glaubt, eine Helena zu besitzen, die, wie uns Euripides vermittelt, nie in Troja war. Man kann ein Leben lang auf eine Chimäre hereinfallen (gut, dass es nicht nur ein Leben gibt . . .)


Um all das wusste Mörike:

Die Liebe, sagt man, steht am Pfahl gebunden,
Geht endlich arm, zerrüttet, unbeschuht;
Dies edle Haupt hat nicht mehr, wo es ruht,
Mit Tränen netzet sie der Füße Wunden.

Ach, Peregrinen hab ich so gefunden!
Schön war ihr Wahnsinn, ihrer Wange Glut,
Noch scherzend in der Frühlingsstürme Wut
Und wilde Kränze in das Haar gewunden.

War´s möglich, solche Schönheit zu verlassen?
-So kehrt nur reizender das alte Glück!
O komm, in diese Arme dich zu fassen!

Doch weh! o weh! was soll mir dieser Blick?
Sie küsst mich zwischen Lieben noch und Hassen,
Sie kehrt sich ab und kehrt nie mehr zurück.
                                                                     (vor 1831)

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