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Freitag, 28. Januar 2011

auf dem wehenden Banner Phantasiens gesehen

              

                     


Manchmal ist Liebe einfach
ein leises Weinen meiner Seele.
Unsere Seele will frei
von Sehnsucht sein.


Sehnsucht ist eine Sucht;
immer sucht sie Ersatz
für etwas, was nicht da ist,
doch aber da sein sollte.


Es scheint, als wollten wir diese Sucht;
sie scheint uns wichtiger als unser Sehnen.
Wir sind süchtig nach einem yin, nach yang
nach einem Südpol für unsere Liebe.


Wahr ist, dass unsere Sucht Schein,
Unser Sehnen aber das Sein unserer Seele ist.
Es ist, was uns an unsere Heimat bindet,
Damit wir nicht uns und Gott verloren gehen.
  

Ein Sehnen darf immer in uns sein.
Ohne Sucht. Es endet erst,
wenn sich Erde und Himmel
in uns vereinen.


Wenn in den Birken die Blätter rauschen
wird es so sein.
Du wirst da sein.
Und unsere Birken werden wie Äolsharfen sein.

Ich werde daheim sein.



                        



In dich, Geliebte, steigt mein Traum,/Tief wie in Meer, Gebirg und Kluft hinein - Hermann Hesses "Der Liebende"


Nun liegt dein Freund wach in der milden Nacht,
Noch warm von Dir, noch voll von deinem Duft,
Von deinem Blick und Haar und Kuss - o Mitternacht,
O Mond und Stern und blaue Nebelluft!
In dich, Geliebte, steigt  mein Traum
Tief wie in Meer, Gebirg und Kluft hinein,
Verspritzt in Brandung und verweht zu Schaum,
Ist Sonne, Wurzel, Tier,
Nur um bei dir,
Um nah bei dir zu sein.
Saturn kreist fern und Mond, ich seh sie nicht,
Seh nur in Blumenblässe dein Gesicht,
Und lache still und weine trunken,
Nicht Glück, nicht Leid ist mehr,
Nur du, nur ich und du, versunken
Ins tiefe All, ins tiefe Meer,
Darein sind wir verloren,
Drin sterben wir und werden neugeboren.

Für mich ist es eines der schönsten Hesse-Gedichte; es ist gekennzeichnet durch die unmittelbare Anwesenheit des Dichters ... noch heute glaubt man ihn gegenwärtig zu fühlen.
Ich freue mich darauf, sobald ich Zeit habe, auf meinem Methusalem-Blog Gedanken zu diesen Zeilen niederzuschreiben; ich verlinke sie dann hier.

Samstag, 22. Januar 2011

"Die Gedanken sind frei" - als Flugblattlied entstanden, heute fast ein Volkslied, suggeriert es einen dramatischen Selbstbetrug

Kürzlich hörte ich Gottfried Fischer, den Begründer der Fischer-Chöre, dieses Lied intonieren, und es war weit weniger der Qualität seiner Stimme als der Inbrunst seiner vorausgehenden Worte anzumerken, wie sehr es ihm gefällt.
Und keine Frage: Als das Lied wenige Jahre vor der Französischen Revolution entstand und auf einem Flugblatt veröffentlicht wurde, wirkte es wie ein Fanal; ja, wenn die Herrschenden, die politische Nomenklatura gekonnt hätte, hätte sie sogar auf die Gedanken ihrer Untertanen Einfluss genommen. Wie gut, dass das nicht ging.
Und wie wertvoll mag das Lied gewesen sein, als Sophie Scholl es ihrem Vater, der wegen hitlerkritischer Äußerungen verhaftet worden war, noch am Abend seiner Verhaftung auf ihrer Flöte an der Gefängnismauer vorspielte! Das geschah 1942.
Und welches Gänsehautgefühl muss es gewesen sein, als 1948 auf dem Höhepunkt der Berlin-Blockade sich 300 000 Berliner vor der Ruine des Reichstagsgebäudes versammelt hatten, Ernst Reuter seine Bitte an die Völker der Welt richtete, Berlin nicht preizugeben, und einer dieses Lied anstimmte und immer mehr mit einstimmten und mit ihrer Stimme einen gewaltigen Chor bildeten, der mehr und mehr anschwoll und wie ein gewaltiges Signal zum Himmel strebte:

Die Gedanken sind frei
Wer kann sie erraten?
Sie rauschen vorbei
Wie nächtliche Schatten,
Kein Mensch kann sie wissen,
Kein Jäger sie schießen;
Es bleibet dabei,
Die Gedanken sind frei.

Ja, Gedanken können Mauern zerreißen, wie wir in der 3. Strophe lesen; sie gehen durch Mauern, durch jeden Stahlbeton. Sie sind ein großes Freiheitspotential.

Das ist ihre eine Seite. Und das ist keine Schattenseite.
Doch haben Gedanken eine Schattenseite, und es ist fatal, wenn man sie nicht zur Kenntnis nimmt, denn:
In der Hauptsache - so behaupte ich - sind Gedanken nicht frei!
In der Liedfassung von 1800 lautet der Beginn der 4. Strophe:
Ich denk was ich will / und was mich erquicket ...
Genau so ist es nicht. Dann wären alle Menschen viel, viel gesünder und wir bräuchten nicht ständig eine Gesundheitsreform.
Denn es sind ihre Gedanken, die die Menschen krank machen und zu körperlichen Krankheiten führen - wenn auch mit erheblicher Zeitverzögerung -, auch wenn das die meisten Menschen nicht wahrhaben wollen; dann wären sie ja selbstverantwortlich womöglich für das meiste, was ihnen geschieht; dann glaubt man schon lieber an das Schicksal, an die Erbsünde oder andere pseudoreligiöse Lügen.
Nein, wir wissen im Grunde genau: Jeder Ort, an dem wir sind, beeinflusst unsere Gedanken. Ein Schüler in der Schulbank hat andere Gedanken als vor dem Computer, hat andere Gedanken als beim Handballtraining oder vor dem Fernseher.
Wir wissen, wie es ist, wenn Gedanken sich im Kreise drehen, wenn wir uns manchmal mit ihnen wie im Hamsterrad bewegen, wenn wir genau wissen, dass uns unser momentanes Denken nicht gut tut.
Als Lehrer kann ich mich gedanklich mit der negativen Seite eines Schülers beschäftigen oder ihm gedanklich einen Weg bahnen, den ich ihm wünsche.
Wünsche ich ihn ihm? Warum ist das schwerer, als ihn einfach zu verurteilen?
Urteile bestehen aus Gedanken, Wünsche bestehen aus Gedanken.

Ja, so ist es: Auch technische Geräte beinflussen unsere Gedanken unglaublich. Wie viel Wirklichkeit gestaltet ein IPod oder eine Spielekonsole.
Und dann haben wir noch nicht darüber gesprochen, wie sehr die Anwesenheit eines Menschen - allein seine Anwesenheit, auch wenn er kein Wort sagt - unser Denken beeinflusst.
Meine Güte, was für sein Selbstbetrug, die Annahme, unsere Gedanken könnten frei sein.
Was aber Gott sei Dank gilt:
Es gibt Wege, unsere Gedanken zu befreien.
Der Achtfache Pfad Buddhas weist ihn und Werke von Wissenden wie Masaharu Taniguchi und James Allen; ich habe über alle drei an anderer Stelle geschrieben.

Befreien wir uns von diesem Gedanken: Die Gedanken sind frei.
Unsere Gedanken sind in jener Höhle, von der Platon schreibt.
Nur wenn wir die Realität unserer Gedankenwelt zur Kenntnis nehmen, ihrer Realität mehr und mehr gewahr werden, dann kann Gedankenfreiheit Wahrheit werden. Ansonsten bleibt sie eine schöne Illusion.



Montag, 17. Januar 2011

Meines Sternbilds Sonnenklarheit / Hat wie Zauber mich getroffen ...

Heute hat eine Schülerin aus meiner 6. Klasse ein Gedicht vorgetragen, das sie zusammen mit ihrer Mutter im Internet fand. Ich hatte es noch nie gehört, und sein Inhalt wie auch die Innigkeit des auswendig gelernten Vortrags haben mich sehr berührt. Theodor Fontane hat es wohl mit 

Die lieben Sterne

überschrieben. Es ist kein Gedicht, das sich in einer Gedicht-Anthologie findet; dichterisch stufen die sogenannten Experten es nicht als den großen Wurf ein, aber darum geht es nicht; es geht zu Herzen; mich berührt es:


Auf des Hauses niedrer Schwelle
Saß ich, Wehmut in der Brust,
Sah hinauf zur Sternenhelle,–
Da ergriff mit banger Lust
Sehnsucht mich nach jenen Sternen
die, im mildverklärten Schein,
Hoch aus weiten Himmelsfernen
Unsrem Herzen Trost verleihn.


Aber ach, trotz allen Strebens
Nach dem ewgen Himmelszelt,
War mein Sehnen doch vergebens,
Denn ich blieb der Erdenwelt.
Soll mir nie der Zutritt werden,–
Rief ich nun gar traurig aus.
Oh so schickt herab auf Erden
Einen Stern aus eurem Haus.


Und die lieben guten Sterne
haben mich nicht ausgelacht,
Haben trotz der weiten Ferne
Ihres neuen Freunds gedacht.
Denn sie weigerten die Bitte
Mir, dem einst Verschmähten, nicht,
Und gesandt aus ihrer Mitte
Strahlt ein zwiefach Doppellicht.


Ach, es strahlt mir, voller Wahrheit;
Treue, Liebe; Glauben, Hoffen;
Meines Sternbilds Sonnenklarheit
Hat wie Zauber mich getroffen.


Teures Bild, verweile lange,
Fern vom heimatlichen Zelt,
Leuchte mir noch auf dem Gange,
Der mich führt in deine Welt.

Mittwoch, 12. Januar 2011

Leben mit Inbrunst zum Glühen bringen - Ein Blick vom Himmel

Ein Mann aus dem Dorf Neguá, an der Küste Kolumbiens, durfte in den Himmel auffahren. Als er zurück war, begann er zu erzählen. Er sagte, er habe von dort oben das Leben der Menschen betrachtet. Und er sagte, wir seien ein Meer kleiner Lichter. "Das ist die Welt", sprach er. "Ein Haufen Leute, ein Meer kleiner Lichter". Jeder Mensch leuchtet mit eigenem Licht. Man findet keine zwei Lichter, die gleich sind.
Da sind Leute mit einem ruhigen Licht, das kein Windstoß zum Flackern bringt und solche mit Lichtern, die wie verrückt Funken sprühen.
Lichter gibt es, die weder scheinen noch wärmen, aber andere bringen das Leben mit solcher Inbrunst zum Glühen, dass man sie gar nicht ansehen kann, ohne ständig mit der Wimper zu zucken und wer ihnen zu nahe kommt, fängt Feuer.  
                        
aus Eduardo Galeano, Das Buch der Umarmungen, Wuppertal 1991, S.7

Freitag, 7. Januar 2011

Unvorstellbar grausam: Christenverfolgung im Mittleren Osten (nicht nach dem Essen lesen!)

Ich empfehle, den Bericht von Chaim Noll, veröffentlicht in achgut, nur in stabilem seelischem Zustand zu lesen.
Ich zitiere im Folgenden drei Ausschnitte und möchte dringend empfehlen, ihn an Theologen, Religionslehrer sowie an unsere C-Politiker weiterzugeben, desgleichen auch an Pfarrer, verbunden mit dem Hinweis, ihn statt einer Predigt von der Kanzel zu verlesen.
Wenn es Menschen in Eritrea oder dem Kongo schlecht geht, kümmern wir uns darum; die EU appelliert, die UNO und wer auch immer; es wird gesammelt und alles Mögliche getan.
Und gewiss gibt es irgendwann eine Spendengala.
Bloß weil die Betroffenen Christen sind, tut scheinbar niemand etwas für sie.
Warum meldet sich der Vatikan nicht dezidiert zu Wort? Warum benennt der Papst nicht die Grausamkeiten?
Es geht nicht nur um unverbindliche Appelle angesichts eines Geschehens wie in Ägypten, es geht um nachdrückliche Hilfe!
Warum schweigen die C-Parteien?
Warum schweigt die Evangelische Kirche Deutschlands?


Hier drei Ausschnitte aus Menetekel für Europa:
(1)
Weithin bekannt wurde der Fall des im Nordirak entführten Erzbischofs der chaldäisch-katholischen Kirche, Paulos Faradsh Raho. Mitte März 2008 war zu erfahren, er sei Ende Februar tot aufgefunden worden, seine Entführer hätten ihn in der Nähe der Stadt Mosul begraben, im Norden des Landes. Überhaupt verlagere sich nun die Gewalt auch in den irakischen Norden, der lange Zeit als relativ sicher galt.
Nach Berichten christlicher Kreise wurden weitere dreizehn Priester um diese Zeit getötet, auf grausame Weise, etwa, indem man die Geistlichen bei lebendigem Leib in Teile zersägte. Eine derzeit in Jordanien tätige syrisch-orthodoxe Ordensschwester, Hatune Dogan, erfuhr dies von irakischen Flüchtlingen. Einer der Zeugen schilderte, wie er anschließend die Leichenteile gesammelt und bestattetet hätte, was jedoch in vielen Fällen unterbleiben müsse, weil die Überreste der Getöteten von den Mördern mit Sprengsätzen versehen wurden (1).
Andere Berichte gelten dem verbreiteten Phänomen der Vergewaltigung christlicher Mädchen, nicht selten minderjähriger. Es handle sich um eine Art Ritual der Erniedrigung, eine Demonstration islamischer Männer-Vorrechte über die „Unterworfenen“.

(2)
Verbreitet ist die Taktik, christliche Mädchen zu entführen und von der Familie ein Lösegeld fordern. Auch hier berichten Quellen von einer Europäern schwer vorstellbaren Grausamkeit gegenüber Frauen und Mädchen. Schwester Hatune übermittelt den Fall einer 7jährigen, die über Jahre immer wieder vergewaltigt worden war. Später habe man das Mädchen „im Genitalbereich aufgeschlitzt“. Das Kind sei schwer traumatisiert und reagiere noch heute, nach Jahren, „völlig phlegmatisch“. Die Bilder des Mädchens, das mit ausdruckslosem Gesicht auf ihrem Schoß saß, dumpfe Laute von sich gab und nicht in der Lage war, sich richtig zu artikulieren, würden ihr nicht mehr aus dem Kopf gehen, sagt die junge Ordensfrau, die in Deutschland Theologie studiert hat. Sie sei von diesen Berichten „selbst traumatisiert“
(3)
In der Türkei sprach Schwester Hatune mit einem 13-jährigen Mädchen, dessen Vater im Irak getötet worden war. Die Familie teilt sich einen Raum in einem Keller ohne Kanalisation, in dem Ratten hin- und her huschen. Nach ein paar Monaten hatte die Familie nichts mehr zu essen. Die Mutter bat die 15jährige Schwester, sich zu prostituieren, um Geld für die Familie zu beschaffen. Die 15jährige hatte Brandwunden am ganzen Körper von den Zigaretten, die ihr die Freier auf der nackten Haut ausdrücken. Da es Muslimen verboten ist, fremde muslimische Frauen anzurühren, halten sie sich an christliche Prostituierte, „an denen sie ihren Glaubenshass auslassen können“. Schwester Hatune gelang es mit Hilfe von Spendengeldern, dieses und andere Mädchen aus der Prostitution zu befreien. In Syrien wurden in den letzten drei Jahren dreißig neue Bordelle eröffnet, 99% der Prostituierten sind christliche Flüchtlinge aus dem Irak, die auf diese Weise den Lebensunterhalt für ihre Familien aufbringen. 5% der Prostituierten sind männlich, „weil die Familien keine Mädchen haben, die sie auf den Strich schicken können“. 


Es geht hier nicht, um das deutlich zu sagen, um die Diskriminierung einer Region oder einer anderen Religionsgemeinschaft. Nur frage ich mich, warum auch muslimische Religiosität nicht dazu führen kann, dass man sich für Menschen einsetzt, die aufgrund ihres religiösen Bekenntnisses Erschreckendes erleiden. Niemand verlangt, dass Christen eine Kirche inmitten von muslimischen Wohnbezirken bauen dürfen; nein, es geht nur darum, deren nacktes Leben ungeschändet und halbwegs geschützt zu erhalten.


PS: Chaim Noll, 1954 in Berlin geboren, ist ein deutsch-israelischer Schriftsteller; er schreibt Essays, Gedichte, Erzählungen und Romane. Aufgewachsen in der DDR studierte er Kunst und Kunstgeschichte in Ost-Berlin, verweigerte dort den Wehrdienst und übersiedelte 1984 nach West-Berlin, wo er als Journalist arbeitete. Nach vierjährigem Aufenthalt in Rom lebt er heute mit seiner Frau in Midreshet Sde Boder in der Wüste Negev. Neben seiner schritstellerischen Tätigkeit unterrichtet er an der Universität von Be' er Schweva und reist regelmäßig zu Vorträgen und Lesungen nach Deutschland.
(zusammengefasst nach Wikipedia)