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Montag, 29. Oktober 2007

Erzengel Gabriel



Bildquelle: www.catholic-church.org

Dein Bild berührt tief; mich berührt Deine Haltung voll Erhabenheit und Dankbarkeit zugleich, die wunderschön geschwungenen Flügel, Dein Gesicht voll Frieden und Sanftmut, die Lilie, die auch durch Dich so aufgerichtet sein darf. Ich glaube, dieses Bild wird, solange ich lebe, in meinem Herzen und, wo immer ich wohne, einen Ehrenplatz haben.
Auf dem Seitenflügel eines ganz unscheinbaren Altars habe ich Dich gefunden. Täglich geht dort der ein oder andere Mönch an Dir vorbei. Wahrscheinlich würde es gar nicht groß auffallen, wenn der Altar nicht mehr da wäre. Vielleicht sollte ich mir einen kleinen Lastwagen mieten und mit Deiner Erlaubnis Dir beim Umzug helfen … Klar, Raphael nehmen wir auch mit, wir lassen doch den zweiten Seitenflügel nicht dort … :-))

Seitdem Du - für mich wahrnehmbar - in mein Leben getreten bist, hat sich etwas verändert, was ich kaum beschreiben kann.
Durch Dein Sein ist eine Form von innerer Wertschätzung von mir für mich selbst in mein Leben gekommen, die ich bisher nicht kannte.

Es war in der Nachweihnachtszeit, als mich mein Weg in den Dom zu Fulda führte. In dem Dombuchladen nebenan - er ist echt ein Schatzkästchen, voll von Büchern und Geschenken, die man sonst nur selten findet - sah ich zum ersten Mal Dein Bild, wie es oben zu sehen ist, abgedruckt auf einer Postkarte. Auf ihrer Rückseite war zu lesen, dass sich das Original im Kloster Beuron befindet.
Wenige Wochen später stand ich vor der wunderschön im oberen Donautal gelegenen Erzabtei St. Martin. Es war Ostermontag. Die Klosterkirche war gesteckt voll. Nach der Messe suchte ich Dich, Dein Bild.
So ein Bild konnte nur in der Kirche sein. Aber ich fand Dich nicht.

Komisch. Ich war verunsichert und ging in den Klosterbuchladen. Ich zeigte der älteren Dame an der Kasse die Postkarte und hoffte, sie würde sagen: in der Kirche hinter der zweiten Säule rechts an der Wand, gar nicht zu übersehen. 
Aber so war es nicht, sie meinte: "Es muss eine Aufnahme von einem Flügelaltar sein, links und rechts sind dort wohl Raphael und Gabriel gemalt. - Da kommen Sie aber nicht hin, der steht im Trakt der Mönche."

Aus der Traum.
Ich war total enttäuscht. Der Tag war irgendwie gelaufen.

Während der Messe hatte ich amüsiert einen Mönch beobachet, der die Kollekte einsammelte, indem er mit einem über zwei Meter langen Stab gekonnt in die Bankreihen hineinjonglierte, um die Spenden entgegenzunehmen. Ich fand es köstlich, wie er immer so halb hinguckte, um sein Ziel nicht zu verfehlen und dann auch wieder wegguckte, damit niemand sich bedrängt fühlen möge. Als ich doch noch einmal in die Kirche lief, sammelte er gerade die Gesangbücher ein. Vielleicht, weil er mir schon etwas vertraut war, sprach ich ihn einfach an, aber auch deshalb, weil ich mich auf eine einzige Information allein wohl nicht verlassen wollte:
"Kann das sein, dass hier in der Kirche der Erzengel Gabriel nirgends abgebildet ist?"
"Doch doch", sagte er, "des Öfteren, Sie müssen mir schon sagen, welchen genau sie suchen."
Ich zeigte ihm die Postkarte.
"Wollen Sie ihn sehen?" Ich glaube, er hat sich ziemlich über meine großen Augen gewundert. "Kommen Sie mit!"

Am Chorgestühl vorbei verließen wir durch eine Seitentür die Kirche. Wir liefen einen langen Gang entlang; dann stand ich vor Dir:
aufgemalt auf dem rechten Flügel eines eher unscheinbaren, kleinen Altars, der auf dem Flur stand, auf dem die Mönche zum Ausgang in den Klostergarten gehen, und der den Sinn hat, dass sie sich hier noch einmal verneigen und ein Gebet sprechen, bevor sie das Haus verlassen.

Vielleicht kennst Du als Engel nicht das Gefühl, wenn man etwas unendlich Schönes sieht und diesen Eindruck für immer so mitnehmen möchte, wie er ist; man schaut und nimmt und schaut und nimmt, doch unser menschliches Bewusstsein lässt die Eindrücke einfach mit der Zeit verblassen. -
Was bleibt, ist Erinnerung.
So bist Du in meinem Inneren, er-inn-ert.
Seitdem bist Du mir nah.
Und: seltsam - dein Bild verblasst gar nicht - im Gegenteil.

Ich bedankte mich überschwänglich bei Bruder Nikolaus; ich kann mir vorstellen, er war etwas verwundert, aber zugleich glaubte ich zu spüren, dass er merkte, einen wie großen Gefallen er mir getan hat.

Du bist mir einige Zeit später in einer der schwierigsten Situationen meines Lebens beigestanden. Damals wusste ich das natürlich noch nicht.
Du hast Dich über mich gebeugt und ich durfte vielleicht für diesen Moment der Bewährung diese Lilie sein.

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