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Samstag, 29. Dezember 2007

* S E L B S T L I E B E *




* S E L B S T L I E B E *

Wie gewinne ich Zugang zu ihr?
Worin zeigt sie sich?

Ich möchte zunächst sagen, mit was sie beginnt.

Sie beginnt mit einer Entlassung.

Einer Entlassung aus dem Gefängnis.

Aus dem Gefängnis der eigenen Bilder.

Das zweite der Zehn Gebote bezieht sich nicht nur auf Gott, wenn es heißt:

Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen ...

denn es heißt ausdrücklich:

… weder von dem, was oben im Himmel, noch von dem, was unten auf Erden, noch von dem, 
was im Wasser unter der Erde ist.

Auch nicht von dem, was auf der Erde ist! Es gilt eben, wie es im Vater unser schon heißt, vieles wie im Himmel so auf Erden.

Kein Bildnis!

Sich kein Bildnis machen, auch nicht von den Erdenbewohnern!

Max Frisch hat dazu in seinem Tagebuch 1946-1949 einen eingebungsvollen Text geschrieben, der sich darauf bezieht, wie sehr die Liebe zu einem anderen abhängig ist von dem Bild, das man sich von ihm > nicht < macht!

Es ist bemerkenswert, dass wir gerade von dem Menschen, den wir lieben, am mindesten aussagen können, wie er sei. Wir lieben ihn einfach. Eben darin besteht ja die Liebe, das Wunderbare an der Liebe, dass sie uns in der Schwebe des Lebendigen hält, in der Bereitschaft, einem Menschen zu folgen in allen seinen möglichen Entfaltungen. Wir wissen, dass jeder Mensch, wenn man ihn liebt, sich wie verwandelt fühlt, wie entfaltet, und dass auch dem Liebenden sich alles entfaltet, das Nächste, das lange Bekannte. Vieles sieht er wie zum ersten Male. Die Liebe befreit es aus jeglichem Bildnis. Das ist das Erregende, das Abenteuerliche, das eigentlich Spannende, dass wir mit den Menschen, die wir lieben, nicht fertig werden: weil wir sie lieben; solang wir sie lieben. Man höre bloß die Dichter, wenn sie lieben; sie tappen nach Vergleichen, als wären sie betrunken, sie greifen nach allen Dingen im All, nach Blumen und Tieren, nach Wolken, nach Sternen und Meeren. Warum? So wie das All, wie Gottes unerschöpfliche Geräumigkeit, schrankenlos, alles Möglichen voll, aller Geheimnisse voll, unfassbar ist der Mensch, den man liebt - Nur die Liebe erträgt ihn so.


Wenn ich im Unterricht begreifbar machen möchte, was Selbstliebe bedeutet, dann lasse ich obigen Text so schreiben, dass jeder ihn auf sich selbst bezieht, ihn also in Ich-Form neu fasst.

Jedes Mal auf´s Neue bin ich ergriffen, wenn ich ihn auf mich beziehe:

Es ist bemerkenswert, dass ich gerade von mir, dem Menschen, den ich liebe, am mindesten aussagen kann, wie ich bin. Ich liebe mich einfach. Eben darin besteht ja die Liebe, das Wunderbare an der Liebe, dass sie mich in der Schwebe des Lebendigen hält, in der Bereitschaft, mir zu folgen in allen meinen möglichen Entfaltungen. Ich weiß, dass jeder Mensch, wenn ich ihn liebe, sich wie verwandelt fühlt, wie entfaltet, und dass auch mir, dem also, der sich selbst liebt, sich alles entfaltet, das Nächste, das lange Bekannte. Vieles sehe ich wie zum ersten Male. Die Liebe befreit mich aus jeglichem Bildnis.

Das ist das Erregende, das Abenteuerliche, das eigentlich Spannende, dass ich mit mir, dem Menschen, den ich liebe, nicht fertig werde: weil ich mich liebe; solang ich mich liebe. Man höre bloß die Dichter, wenn sie lieben; sie tappen nach Vergleichen, als wären sie betrunken, sie greifen nach allen Dingen im All, nach Blumen und Tieren, nach Wolken, nach Sternen und Meeren. Warum? So wie das All, wie Gottes unerschöpfliche Geräumigkeit, schrankenlos, alles Möglichen voll, aller Geheimnisse voll, unfassbar bin ich für mich, für mich, den Menschen, den ich liebe - Meine Liebe trägt mich so.


Da ist kein >so bin ich eben<, kein >das ist halt typisch für dich< !

                                   Die Liebe befreit aus jeglichem Bildnis. 

Ich gebe mir die Freiheit, mich hinzuentwickeln, wohin ich will. Da gibt es keine Krusten, keine selbstinszenierten Blockaden, kein Selbstmitleid, das zäh an mir klebt und mich sagen lässt: Das schaffe ich nie.

                                              * Liebe liebt selbst Liebe *

... selbst-verständlich ist das noch nicht ...
... man muss dazu sein Selbst verstehen ...
... man versteht es, wenn man selbst-verständlich zu sich steht, mit allem, wie und was man ist und Geduld mit sich hat und sich Zeit gibt.

Es darf und wird Jahre dauern. Gemessen an der Tatsache, dass manche sich ein Leben lang nicht wandeln, sind viele Jahre Geduld mit sich wert.

Die Toten, die Verstorbenen, sind sehr lebendig, wenn das viele auch nicht glauben wollen.

Es ist gut, wenn wir auch als Lebende wirklich lebendig sind, bereit, mit uns in alle Richtungen zu gehen.


Samstag, 22. Dezember 2007

... mit den Hirten gehen ... Weihnachten 2007

"Einhorn mit Marienkapelle".
Dieses Weihnachtsgeschenk, ein Scherenschnitt, entstammt den künstlerischen Händen einer lieben früheren Kollegin. - Und ihrem Herzen!
Mit ihrem Einverständnis darf ich es veröffentlichen.


Weihnachten, wie ich es 2007 erlebe, ist Weihnachten aus der Sicht der Hirten.

Auf den Gemälden der großen Meister finden wir Maria und Joseph, dazu das Kind in der Krippe liegend, und bisweilen sieht man noch die Tiere, den Ochsen und den Esel …
Bisweilen ist die Krippe gebettet in einen Strahlenkranz von Licht, dessen Quelle von dem Kind ausgeht.
In dem Stall befindet sich wenig, kaum sehen wir Gegenstände, die den Blick anziehen oder verstellen könnten.
Wäre Jesus in einem Palast geboren worden, so hingen schwere Leuchter von der Decke, Joseph säße auf einem Plüschsofa, ein Butler stünde im Hintergrund und Maria fänden wir bemuttert von einer Hebamme.
Nichts von alledem.
Im Mittelpunkt: das Kind, gebettet in Licht, selbst Licht.
In der Schöpfungsgeschichte wurde das Licht geschaffen und trat in das Bewusstsein der Schöpfung, in Bethlehem wurde es geboren, auf die Erde gebracht durch den Schoß einer Frau: Maria. In einem Stall.
Unangemessen für Jesus?
Gewiss nicht, denn:
Das Wort Stall entstammt der gleichen indogermanischen Wurzel wie das Wort still.
Der Stall an sich ist also schon von der Wortbedeutung her ein stiller Raum.
In der Stille dieses stillen und natürlichen Raumes und einer Nacht, die dadurch heilig wurde, konnte Jesus geboren werden.
Wer aber vermag die Bedeutung der Stille zu erfassen?
Es sind die Hirten, auch des Nachts hüten sie ihre Herde.
Auch nachts!
Nacht steht für das Unbewusste im Menschen, und da, wo bei so vielen verdrängte Gefühle toben und grollen, da sind auch Hirten friedlich, im Frieden mit sich. Umgeben von ihren Schafen.
Jedem von uns kann dieses Hirtenbewusstsein zuteil werden, doch nur wenige können es leben.
Warum?
Weil vielen von uns ihre Schäfchen, ihre Lämmer abhanden gekommen sind.
Schafe stehen für das Wichtigste, was ein Mensch haben kann.
Unsere Lämmer, unsere Schafe versinnbildlichen unsere Liebe. Wie Schäfchen braucht unsere Liebe Vertrauen in uns und wir vertrauen ihr. Wie Schäfchen sich aneinander kuscheln und sich Wärme geben, so kuscheln wir uns an unsere Liebe, und sie wärmt uns in einer kalten Nacht. Schäfchen frieren nicht.
Es ist phaszinierend zu beobachten, was eine Schafherde, die auf einmal hinter der Biegung einer Straße auftaucht, in den Menschen auslöst.
Das ist gewiss kein Zufall.
Es hängt mit der Symbolik der Schafe zusammen, die wir alle intuitiv spüren.
Wir sehen das Bild vor uns: Der Schäfer steht aufrecht inmitten seiner Schafe, in eins mit seinem Schäferstab, seinen Mantel um sich gelegt neben sich seinen Schäferhund – ein Bild der Ruhe, des Friedens, des Vertrauens, des Versöhntseins mit dem Leben, mit der Natur.
Der Schäfer, das ist das Selbst jedes Menschen, und um sich versammelt hat er seine Lieben, seine Liebe. Ein Bild wahrer, tiefer Frömmigkeit, wir sprechen von lammfromm. Und wenn wir es recht verstehen, bedeutet, fromm wie ein Lamm zu sein, das Bekenntnis zum Weg Jesu.
Jesus ist der gute Hirte und dieser Hirte ist der Archetypus des Heilands in uns, für den das Leben heil ist. - Dieser Schäfer mit seinen Schäfchen, das ist in uns, ist der Frieden unserer Seele.
Viele Menschen jedoch empfinden ihr Leben als heillos. Nur mühsam kitten sie die Risse, aus denen die Heillosigkeit herausdampfen will. In ihnen gibt es diesen Schäfer mit seiner Herde nicht, in ihnen gibt es nur diese große Sehnsucht, heil zu sein.
Wir haben unsere Schafe verloren, zumindest einen Teil von ihnen. Oft sind sie weggetrieben von nahen Verwandten, ja von Vater oder Mutter.
Kaum zu glauben , aber wahr: Die meisten und größten Räubereien und Diebstähle finden in den Familien statt!
Nicht selten finden wir in Familien Kinder, die – verglichen mit Geschwistern - einer verwelkten Blume ähneln, denen es jedenfalls bei weitem nicht so gut geht wie Bruder oder Schwester.
Da wird der eine Sohn ein erfolgreicher Kaufmann, der andere ist Alkoholiker, die eine Tochter ist Schulleiterin, eine andere hat das Studium abgebrochen und hat den Beruf ergriffen, der letztendlich übrig blieb.
Oder die Mutter ist eine erfolgreiche Politikerin, doch das eine Kind ist ständig krank, das andere schmeißt seine Lehre.
Mittlerweile wissen wir auf Grund von Familienaufstellungen und einem Zugang zu seelischem Wissen, wie sehr im Leben der Menschen solche Vorkommnisse Realität sind und womit sie zusammenhängen.


Es ist noch nicht so lange her, dass ich mir selbst in meiner Familie meine Schafe zurückgeholt habe, und es geht nicht anders, als allen Beteiligten gegenüber klipp und klar offenzulegen, wie vergangene Familienwirklichkeiten Einfluss nahmen. Wenn wir beim Namen nennen, was geschehen ist, wenn wir ans Tageslicht holen, was im Dunkeln munkelt, kann eine Umverteilung stattfinden. Im Licht kann alles seinen richtigen Ort, seinen Stellen-Wert finden. Wir müssen darauf bestehen und der Dreistigkeit Einhalt gebieten. Wir tun ja sogar denen, die wie ein Dieb in der Nacht Schäfchen entwendeten, einen Gefallen, wenn sie auch zetern, denn:
Niemand wird mit fremden Schäfchen glücklich. Warum aber holen sich dennoch Menschen fremde Schafe? Treiben dem Bruder oder der Schwester die Schäfchen weg, nehmen sich vom Familienkuchen viel mehr, viel mehr an Energie, als ihnen zusteht?
Warum horten Menschen Macht?
Warum horten sie Geld, während andere darben?
Wo doch das letzte Hemd keine Taschen hat …
Genau deshalb tun sie es. Das Mehr soll das Meer ersetzen.
Wofür steht das Meer?
Für das umfassende Sein. Es umfasst auch Leben und Tod. Wozu noch >mehr
Das Wasserelement steht für den Gefühlsbereich des Menschen, das Meer mithin für die Fülle wahrer Gefühle, wahren Lebens, für Selbstliebe und Nächstenliebe.
Niemand braucht in sich ein zweites Meer.
Wer keine Selbstliebe hat, hat seine Schafe nicht bei sich, er hat sie verloren. Deshalb braucht er fremde Schafe. Aber es sind nicht seine!
Die fremden Schafe stehen für dieses Mehr. Mehr haben wollen. Immer mehr.
Doch kein fremdes Schaf kann auch nur einen Tropfen der Fülle des eigenen Meeres ersetzen. Des Meeres, das für umfassendes Fühlen steht. Wir verstehen, was es bedeutet, wenn Franz Kafka von dem ´gefrorenen Meer in uns´ spricht; er spricht von seinem eigenen. Wenn wir seine Romane, Erzählungen und Parabeln lesen, verstehen wir, wie ein gefrorenes Meer sich liest.
Die Hirten in der Nacht hüten IHRE Herde!
Es ist arrogant zu glauben, Hirten seien ungebildete Leute gewesen.
Sie waren voller Kraft und Bewusstsein. Sie waren voller Selbstliebe.
In diesem Bewusstsein hätten Menschen die Liebe nicht ans Kreuz genagelt.
Hirten waren Hüter ihrer eigenen Herde und nur deshalb konnten sie zu Hütern dieser Herrlichkeit der Heiligen Nacht und zu deren Verkünder werden.
Nur wer sich selbst liebt, ist in der Lage, die wahre Liebe zu erkennen.
Nur wer seine eigene Herde weidet, zu dem kann Jesus, wie am Ende des Johannes-Evangeliums geschehen, sagen:
"Weide meine Lämmer!"
Lämmer können Worte der Herrlichkeit sein, Taten der Liebe, Gebete für den Nächsten.
Vor allem aber stehen die Lämmer, die jeder Hirte sein eigen nennt, für Selbstliebe.
Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst.
Ohne Selbstliebe, ohne die eigenen Schäfchen geht das nicht!
Nur wer sich selbst liebt, steht nicht in Gefahr, die Liebe Gottes zu missbrauchen, ein Missbrauch, der nicht nur in Familien, sondern auch in den Amtskirchen immer wieder geschieht, wenn Ehre einem Menschen oder einer Gruppe von Menschen gezollt wird anstatt Gott.
Hirten konnten in der Heiligen Nacht staunen, glauben und höheres Wissen weitergeben aus obigem Grund.
Wer keine Selbstliebe hat, verheimlicht Liebe, entzieht Liebe, entzieht Freude, verheimlicht Freude.
Wer genug Liebe hat, lässt andere Anteil haben, will weitergeben, will mitteilen, will verkünden …
Wie die Hirten dies taten.
Mir geht durch den Sinn, dass wir mehr Lehrer bräuchten, die in diesem Sinne Hirten sind.
So viele Menschen, die am Heiligen Abend in der Kirche sitzen, würden keinem Hirten glauben, wenn er kommt und wie Gabriel sagt: Euch ist heute der Heiland geboren ... Was für eine Bescherung wäre das auch, wenn die Bescherung ausfallen müsste, nur weil der Heiland geboren ist ... Doch genau das ist die Wirklichkeit des einstmals christlichen Abendlandes.
Die Hirten gingen und breiteten das Wort aus, das ihnen von den Engeln gesagt ward und das sie selbst gesehen hatten; der Evangelist Johannes wird schreiben:
"Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns.
Und wir sahen seine Herrlichkeit ..."

Hirten sehen diese Herrlichkeit.

Weihnachtsfreude aus Kinderhänden





Sonntag, 18. November 2007

vielleicht nur eine Stimme

"Sag mir, was wiegt die Schneeflocke?", fragte die Meise die Wildtaube.
"Nicht mehr als ein Nichts", gab diese zur Antwort.

"Dann muss ich dir eine Geschichte erzählen", sagte die Meise.

"Ich saß auf dem Ast einer Fichte, dicht am Stamm, als es anfing zu schneien; nicht etwa heftig mit Sturmgebraus, nein, wie im Traum, lautlos, ohne Schwere. Da nichts Besseres zu tun war, zählte ich die Schneeflocken, die auf die Zweige und Nadeln eines Astes fielen und darauf hängen blieben. Genau 3 457 921 Schneeflocken waren es. Und als die 3 457 922ste niederfiel, nicht mehr als ein Nichts, brach der Ast ab."
Dann flog die Meise davon.
Die Taube sagte zu sich nach kurzem Nachdenken: "Vielleicht fehlt ja nur eines einzelnen Menschen Stimme, damit sich etwas ändert auf dieser Welt."
Bild: Mit freundlicher Genehmigung http://www.bepepa.de/ - Text: Kurt Kauter, 1973

Montag, 29. Oktober 2007

Erzengel Gabriel



Bildquelle: www.catholic-church.org

Dein Bild berührt tief; mich berührt Deine Haltung voll Erhabenheit und Dankbarkeit zugleich, die wunderschön geschwungenen Flügel, Dein Gesicht voll Frieden und Sanftmut, die Lilie, die auch durch Dich so aufgerichtet sein darf. Ich glaube, dieses Bild wird, solange ich lebe, in meinem Herzen und, wo immer ich wohne, einen Ehrenplatz haben.
Auf dem Seitenflügel eines ganz unscheinbaren Altars habe ich Dich gefunden. Täglich geht dort der ein oder andere Mönch an Dir vorbei. Wahrscheinlich würde es gar nicht groß auffallen, wenn der Altar nicht mehr da wäre. Vielleicht sollte ich mir einen kleinen Lastwagen mieten und mit Deiner Erlaubnis Dir beim Umzug helfen … Klar, Raphael nehmen wir auch mit, wir lassen doch den zweiten Seitenflügel nicht dort … :-))

Seitdem Du - für mich wahrnehmbar - in mein Leben getreten bist, hat sich etwas verändert, was ich kaum beschreiben kann.
Durch Dein Sein ist eine Form von innerer Wertschätzung von mir für mich selbst in mein Leben gekommen, die ich bisher nicht kannte.

Es war in der Nachweihnachtszeit, als mich mein Weg in den Dom zu Fulda führte. In dem Dombuchladen nebenan - er ist echt ein Schatzkästchen, voll von Büchern und Geschenken, die man sonst nur selten findet - sah ich zum ersten Mal Dein Bild, wie es oben zu sehen ist, abgedruckt auf einer Postkarte. Auf ihrer Rückseite war zu lesen, dass sich das Original im Kloster Beuron befindet.
Wenige Wochen später stand ich vor der wunderschön im oberen Donautal gelegenen Erzabtei St. Martin. Es war Ostermontag. Die Klosterkirche war gesteckt voll. Nach der Messe suchte ich Dich, Dein Bild.
So ein Bild konnte nur in der Kirche sein. Aber ich fand Dich nicht.

Komisch. Ich war verunsichert und ging in den Klosterbuchladen. Ich zeigte der älteren Dame an der Kasse die Postkarte und hoffte, sie würde sagen: in der Kirche hinter der zweiten Säule rechts an der Wand, gar nicht zu übersehen. 
Aber so war es nicht, sie meinte: "Es muss eine Aufnahme von einem Flügelaltar sein, links und rechts sind dort wohl Raphael und Gabriel gemalt. - Da kommen Sie aber nicht hin, der steht im Trakt der Mönche."

Aus der Traum.
Ich war total enttäuscht. Der Tag war irgendwie gelaufen.

Während der Messe hatte ich amüsiert einen Mönch beobachet, der die Kollekte einsammelte, indem er mit einem über zwei Meter langen Stab gekonnt in die Bankreihen hineinjonglierte, um die Spenden entgegenzunehmen. Ich fand es köstlich, wie er immer so halb hinguckte, um sein Ziel nicht zu verfehlen und dann auch wieder wegguckte, damit niemand sich bedrängt fühlen möge. Als ich doch noch einmal in die Kirche lief, sammelte er gerade die Gesangbücher ein. Vielleicht, weil er mir schon etwas vertraut war, sprach ich ihn einfach an, aber auch deshalb, weil ich mich auf eine einzige Information allein wohl nicht verlassen wollte:
"Kann das sein, dass hier in der Kirche der Erzengel Gabriel nirgends abgebildet ist?"
"Doch doch", sagte er, "des Öfteren, Sie müssen mir schon sagen, welchen genau sie suchen."
Ich zeigte ihm die Postkarte.
"Wollen Sie ihn sehen?" Ich glaube, er hat sich ziemlich über meine großen Augen gewundert. "Kommen Sie mit!"

Am Chorgestühl vorbei verließen wir durch eine Seitentür die Kirche. Wir liefen einen langen Gang entlang; dann stand ich vor Dir:
aufgemalt auf dem rechten Flügel eines eher unscheinbaren, kleinen Altars, der auf dem Flur stand, auf dem die Mönche zum Ausgang in den Klostergarten gehen, und der den Sinn hat, dass sie sich hier noch einmal verneigen und ein Gebet sprechen, bevor sie das Haus verlassen.

Vielleicht kennst Du als Engel nicht das Gefühl, wenn man etwas unendlich Schönes sieht und diesen Eindruck für immer so mitnehmen möchte, wie er ist; man schaut und nimmt und schaut und nimmt, doch unser menschliches Bewusstsein lässt die Eindrücke einfach mit der Zeit verblassen. -
Was bleibt, ist Erinnerung.
So bist Du in meinem Inneren, er-inn-ert.
Seitdem bist Du mir nah.
Und: seltsam - dein Bild verblasst gar nicht - im Gegenteil.

Ich bedankte mich überschwänglich bei Bruder Nikolaus; ich kann mir vorstellen, er war etwas verwundert, aber zugleich glaubte ich zu spüren, dass er merkte, einen wie großen Gefallen er mir getan hat.

Du bist mir einige Zeit später in einer der schwierigsten Situationen meines Lebens beigestanden. Damals wusste ich das natürlich noch nicht.
Du hast Dich über mich gebeugt und ich durfte vielleicht für diesen Moment der Bewährung diese Lilie sein.

Freitag, 26. Oktober 2007

Anne-Kathrin: Beziehungen

Liebe Anne-Kathrin,
ich danke Dir, dass Du mir erlaubt hast, Deine Zeilen hier hineinzuschreiben. Als Du sie im letzten Jahr verfasst hast, warst Du 16 und wir trafen uns im Fach Deutsch in der 11. Klasse. Jeder sollte damals im Rahmen einer Art Poetry-Slam einen Text schreiben, also eine Form von Gedicht, in dem alles erlaubt ist; wenn man will, kann man mittendrin singen oder eine Strophe auf Chinesisch vortragen.
Bewundernswert, was ihr alle damals geschrieben habt; jeder kam ja nach vorne und trug seinen Text vor. Für jeden gab es Beifall, ob sein Text vier Zeilen umfasste oder 40.
Ich war einfach nur fasziniert von der Vielfalt dessen, was ihr vortrugt.
Als Du Deine Zeilen gelesen hast, war es zunächst sehr still.
Ich war innerlich fassungslos.
Niemand hatte damit gerechnet, dass unter uns jemand ist, der so bis in seine Tiefen verletzt ist und uns Anteil nehmen lässt.
Ich glaube, ich darf im Namen aller damals Anwesenden sagen: danke für Dein Vertrauen!
Du stehst für viele andere junge Menschen, denen es auch so geht.
Du hattest den Mut zu sprechen.
Oft habe ich in unserem gemeinsamen Jahr Deine Traurigkeit in Deinem Gesicht, Deinen Augen gelesen, gesehen.
Von ganzem Herzen wünsche ich Dir, dass aus großem Trost, den Deine Seele erfahren möge, langsam, aber doch beständig und immer mehr und immer mehr wieder Freude in Dein Leben einziehen darf.


Deine Gedanken sind überschrieben

Beziehungen


Kind und Vater
Am Anfang ist alles offen
Vertrauen – Misstrauen
Zu Beginn war das Vertrauen
Doch viele Enttäuschungen durch den Vater
ließen Misstrauen wachsen
Hoffnung – Enttäuschung

Zu Beginn gab es viel Hoffnung
Doch viele Handlungen des Vaters
ließen die Hoffnung schwinden
und Enttäuschung blieb zurück.
Freude – Traurigkeit

Zu Beginn dachte das Kind immer mit Freude an den Vater
Doch sein mangelndes Verständnis
ließen von der Freude
nur Traurigkeit übrig
Liebe – Hass

Am Anfang ist es Liebe
Eine Blume, die das Kind dem Vater schenkt
Doch der Vater erkennt das Geschenk nicht
Die Blume bleibt unbeachtet
Seinen Augen bleiben solche Dinge verborgen
Da nur Erfolg und Materielles für ihn wichtig sind
Sein Ziel fest im Blick
Zertritt er die Blume –


Langsam wächst an ihrer Stelle eine neue Pflanze –
genährt von Misstrauen und Enttäuschungen
- Hass –
- Beziehungen -

Montag, 22. Oktober 2007

Überall blühen Narzissen

Bildquelle: www.englisch-hilfen.de

Narziss ist in der griechischen Sage der Sohn des Flussgottes Kephissos und ein "schöner" Jüngling.
Was er nicht hätte tun sollen: die Liebe der ohnehin schon so geplagten Nymphe Echo zu verschmähen. So wird er damit bestraft, sich in ihrem Teich in sein im Wasser geschautes Spie- gelbild zu verlieben. In übergroßer, unstillbarer Sehnsucht verzehrt er sich schließlich nach sich selbst und wird in eine Blume verwandelt: die Narzisse.Seelisch gesehen finden wir die narzisstische Persönlichkeit in Menschen, die sich ständig spiegeln müssen, sei es zum Beispiel in realen (Wasser-)Spiegeln oder auch mit Hilfe anderer Menschen, indem sie vor allem danach schauen, wie sie selbst zu gefallen wissen, wie sie selbst wirken. Das Drama der narzisstischen Persönlichkeit besteht darin, dass sie immer nur die eigene (Wasser-)Oberfläche spiegelt, den schönen Schein. In die Tiefen des Wassers, des Wassers der eigenen Seele dringt ihr Blick nicht vor. Wir können Sie u.a. täglich im Fernsehen in eitlen Pfauengestalten sehen.
Übrigens: Wenn wir genau hinhören, schreien Pfauen grässlich. Manchmal blüht der Narzissmus auch ganz im Verborgenen und bisweilen verwelkt die narzisstische Persönlichkeit sehr schnell, ertränkt in ihrer Scham. In Wahrheit nämlich schämt sich Narziss, weiß er doch im Grunde seiner Seele, dass er nicht schön ist, sondern nur selbstgefällig, dass er ein falsches Selbst lebt, nicht sein wahres. In diesem Zusammenhang ist die Spiegel- bzw. Wassersymbolik im Narzissmythos bemerkenswert: Des Menschen Seele gleicht dem Wasser, schreibt Goethe angesichts des Staub- bachwasserfalls im Lauterbrunnental. Menschen begegnet das Wasser auf die unterschiedlichste Weise: Täglich ertrinken manche in ihm; täglich trinken wir Erdenbewohner es, täglich ist es den Menschen Schrecken und Labsal zugleich.
Wie auch immer wir es erleben: Wir bedürfe n seiner, denn wir bestehen zu über 70 Prozent selbst aus ihm. Der Wasserbereich symbolisiert die Ebene der Gefühle. Daran erkennen wir, wie viel der Gefühlsbereich in unserem Leben ausmacht, auch wenn es viele Menschen nicht wahrhaben wollen. Das eben liegt daran, dass man Gefühle nur fühlen kann.
Wie aber will jemand, der seine Gefühle in seiner Ursprungsfamilie nur sehr bedingt wahrnehmen durfte - und das ist leider immer noch eher die Regel als die Ausnahme -, die Bedeutung von Gefühlen beurteilen? Trotzdem fällen vor allem gerade rational fixierte Menschen Urteile über die Bedeutung von Gefühlen. In Wirklichkeit sprechen sie über etwas, was sie oft nur wenig mehr als dem Wort nach kennen. Die Wirklichkeit finden wir in unserer Gesellschaft gespiegelt, in welcher man durchaus gefühllos, bloß nicht kopflos sein darf … Nur wenn wir in die Tiefen der Seele vordringen, erkennen wir uns selbst. Schillers Taucher ist ein Dokument hierfür, aber auch die Brunnensymbolik, wie wir sie in Hofmannsthals "Weltgeheimnis" gestaltet finden. Jesus ist ein Meister dieses Elements, wenn er über das Wasser geht. Er spiegelt sich nicht wie Narziss, sondern ist jenen ein Helfer, die im Wasser versinken, weil sie nicht mit ihren Emotionen klarkommen. Petrus, als er es Jesus nachtun möchte, um sich auch als ein Meister seiner Gefühle zu erweisen, glaubt und glaubt doch nicht. Als Wind aufkommt und er Angst bekommt, schwindet sein Vertrauen, und er versinkt im Wasser, er versinkt in seinen Ängsten, in seinen Emotionen. - Tagtäglich tun das viele Menschen und gehen im realen oder im Ozean ihres Lebens unter, ohne dass sie die Hilfe wahrnehmen wollen, die Petrus zuteil wurde. Nur das ständige Ausgerichtetsein auf die Liebe vermag den Menschen auf dem Wasser gehen zu lassen, zu schwimmen, wann er möchte, zu baden, zu plantschen, nicht aber unterzugehen. Die narzisstische Persönlichkeit ist gar nicht in der Lage, in das Wasser einzutauchen; sie hat Angst vor den Tiefen des Wassers, vor ihren tiefen Gefühlen. Lieber schwimmt sie auf dem Trockenen. Es bleibt ihr als Sehnsucht nur die Erinnerung an die Wärme des eigenen Fruchtwassers, geborgen im Bauch der Mutter. Zumeist liegt ihre im Grunde verzweifelte Situation daran, dass sie nach der Geburt nicht in Mutterliebe baden durften; sie nämlich, die göttliche Marien- und die wahre Mutterliebe unserer Erde sind das Wasser des Lebens. Was allerdings für Mutterliebe gehalten wird, ist eben nur das, was Menschen subjektiv als Liebe bezeichnen. Für jede Frau ist Liebe das, was von ihren Eltern als solche bezeichnet wurde; mit tatsächlicher Liebe hat das oft wenig zu tun.
Ich schließe mich Alice Miller an, wenn sie in "Das Drama des begabten Kindes" schreibt: "Ein Tabu, das alle Entmystifizierungstendenzen unserer Zeit überdauert hat, ist die Idealisierung der Mutterliebe." Der real existierenden Mutterliebe.Ein ganzes Kapitel widmet sie in ihrem Buch der verlorenen Welt der Gefühle. Dasher" ist ein Dokument hierfür, aber auch die Brunnensymbolik, wie wir sie in Hofmannsthals "Weltgeheimnis" gestaltet finden. Jesus ist ein Meister dieses Elements, wenn er über das Wasser geht. Er spiegelt sich nicht wie Narziss, sondern ist jenen ein Helfer, die im Wasser versinken, weil sie nicht mit ihren Emotionen klarkommen. Petrus, als er es Jesus nachtun möchte, um sich auch als ein Meister seiner Gefühle zu erweisen, glaubt und glaubt doch nicht. Als Wind aufkommt und er Angst bekommt, schwindet sein Vertrauen, und er versinkt im Wasser, er versinkt in seinen Ängsten, in seinen Emotionen. - Tagtäglich tun das viele Menschen und gehen im realen oder im Ozean ihres Lebens unter, ohne dass sie die Hilfe wahrnehmen wollen, die Petrus zuteil wurde. Nur das ständige Ausgerichtetsein auf die Liebe vermag den Menschen auf dem Wasser gehen zu lassen, zu schwimmen, wann er möchte, zu baden, zu plantschen, nicht aber unterzugehen. Die narzisstische Persönlichkeit ist gar nicht in der Lage, in das Wasser einzutauchen; sie hat Angst vor den Tiefen des Wassers, vor ihren tiefen Gefühlen. Lieber schwimmt sie auf dem Trockenen. Es bleibt ihr als Sehnsucht nur die Erinnerung an die Wärme des eigenen Fruchtwassers, geborgen im Bauch der Mutter. Zumeist liegt ihre im Grunde verzweifelte Situation daran, dass sie nach der Geburt nicht in Mutterliebe baden durften; sie nämlich, die göttliche Marien- und die wahre Mutterliebe unserer Erde sind das Wasser des ist wichtig und wertvoll.
Ich hätte mir gewünscht, dass sie auch ein Kapitel der Mutterliebe widmet. Das ganze Drama um die Gefühle wird sehr deutlich auf dem Hintergrund der Aussage von John Bradshaw in seinem Buch "Wenn Scham krank macht": "Man kann nur heilen, was man fühlt."
Wie aber wollen wir gesunden, wenn wir unsere Wunden gar nicht oder kaum fühlen?
Wie wollen alle in Wirklichkeit todkranken Anfortasse heil werden, alle siechen Gralskönige dieser Erde, die voller Scham sind - kein Zufall, dass Anfortas tat- sächlich an der Scham durch einen Speer verletzt ist -, wenn sie nicht einmal die Schmerzen ihrer Seele fühlen? Dass sich ein Narzisst spiegelt, ist seine Überlebensstrategie. Selbst wenn er nicht in das Wasser einzutauchen vermag, überlebt er durch die Erinnerung daran. Vor allem aber überlebt er, indem er anderen das "Wasser des Lebens" entwendet. Er räubert in den Gefühlen anderer. Das Grimm-Märchen "Vom Wasser des Lebens" thematisiert dieses Geschehen, in dessen Rahmen auf unserer Erde Menschen, die fühlen können, noch sterben müssen an der Gefühllosigkeit anderer. Noch blüht der Vampirismus der Gefühle. Wie also wollen Menschen gesunden, wenn sie nicht fühlen? Hier liegt eine bedeutsame Aufgabe der Menschenschule.
Nun ist es Zeit, mit Mut allen emotionslosen Wissenschaftlern und linkshirnigen Pädagogen entgegenzuhalten, was Faust seinen kopfgesteuerten Famulus Wagner wissen lässt:"Wenn ihr´s nicht fühlt, ihr werdet´s nicht erjagen, / wenn es nicht aus der Seele dringt ...!
Es ist die bekannte Mystikerin Teresa von Avila, welche die oben angesprochenen Zusammenhänge in ihrer Schrift "Die innere Burg" bestätigt, indem sie schreibt, dass sie nichts weiß, was "zur Erklärung mancher geistigen Dinge geeigneter wäre als eben das Wasser".
So kann sie eine Wahrheit kundtun, die in ganz besonderem Maße für jene gilt, welche die Wasser ihrer Seele auch in den Tiefen reinigen wollen: "Wie die Bächlein, die einer sehr klaren Quelle entspringen, rein und lauter sind, so ist es auch die Seele, die in der Gnade lebt."

In der Gnade zu leben bedeutet auch, fühlen zu dürfen.

Samstag, 20. Oktober 2007

einander anschauen - einander verstehen

Bildquelle:www.rcvbitburg.caritas.de
"Im Kreis können wir uns alle ansehen. Wir können die anderen Menschen verstehen. Das System in den öffentlichen Schulen erlaubt uns nicht, ins Gesicht des anderen Menschen zu blicken. Die Sitzanordnung ist so, dass wir nicht in das Angesicht unseres Bruders und unserer Schwester blicken dürfen. Wir sitzen einer hinter dem andern und sehen nur Hinterköpfe. Daher wissen wir nicht, ob der Mensch vor uns lacht oder weint, weil es uns nicht erlaubt ist, sein Angesicht zu sehen. Der einzige Weg des Verstehens aber ist, wenn wir dem anderen Menschen ins Gesicht blicken können. Für mich hat ein solches Schulsystem den Zweck zu individualisieren, weil die Schüler gezwungen werden, über sich selbst und nicht über die anderen nachzudenken. Während unserer gan­zen Schulzeit wird uns gelehrt, "mein" zu sagen und nicht "unser". Wenn wir auf den Mitmenschen schauten und sahen, dass er in Not war, konnten wir ihm helfen und Anteil nehmen. Wir erkannten den Mitmenschen und wussten, ob er traurig oder glücklich ist.
Auf der ganzen Welt tanzen die Menschen im Kreis und reichen sich die Hände.
Wann haben wir den Kreis verloren?
Wann haben wir den Rundtanz verloren?
Wann die Achtung und die Liebe für den Mitmenschen?
Als wir individualisiert wurden, da haben wir all dies verloren. Das System hat die Menschen entmenschlicht. Wir wurden zu verwirrten Menschen, ohne Respekt für jemanden außer uns. Das heutige Wertsystem hat uns vom natürlichen Dasein getrennt [...]
Der Kreis ist uns heilig, denn alle natürlichen Dinge fangen mit einem Kreis an: die Sonne, der Mond, die Erde, die Früchte, alles hat die Form des Kreises. [...]
In diesem Kreis, von dem wir gesprochen haben, ist auch der Schöpfer mit eingeschlossen."
Diese Worte entstammen einem Vortrag Philip Deeres, den er in der Aula der Universität Zürich am 6. November 1978 hielt, um für seine Schule des indianischen Weges zu werben. Der Vortrag wurde aufgezeichnet und vom Schweizer Radio am 19. März 1979 unter dem Titel „Der Kreis“ in deutscher Sprache ausgestrahlt.
Philip Deere ist ein mittlerweile verstorbener Muskokee-Medizinmann.


Freitag, 19. Oktober 2007

Viele Menschen glauben ...


Viele Menschen glauben wirklich, dass sie ohne eigene Bedürfnisse sind, nur weil sie sie nicht kennen.



Wenn eine Mutter sich selbst und ihr Kind vom ersten Tag seines Lebens an respektieren kann, braucht sie dem Kind niemals Respekt beizubringen ...
Aber eine Mutter, die seinerzeit von ihrer Mutter nicht als das, was sie war, ernstgenommen wurde, wird versuchen, sich mit Hilfe der Erziehung Respekt zu verschaffen.


Es ist undenkbar, dass man andere Menschen wirklich liebt, wenn man sich selber, so wie man ist, nicht lieben kann. Und wie soll man das können, wenn man von Anfang an nicht die Möglichkeit hatte, seine eigenen wahren Gefühle zu leben und sich so zu erfahren.
Viele begabte Menschen leben völlig ahnungslos über ihr wahres Selbst, vielleicht verliebt in ihr idealisiertes, angepasstes, falsches Selbst.

Ein Tabu, das alle Entmystifizierungstendenzen unserer Zeit über- dauert hat, ist die Idealisierung der Mutterliebe.

So paradox das erscheinen mag - ein Kind ist verfügbar. Ein Kind kann einem nicht davonlaufen, wie die eigene Mutter dazumal. Ein Kind kann man erziehen, dass es so wird, wie man es gerne hätte. Beim Kind kann man sich Respekt verschaffen, man kann ihm seine eigenen Gefühle zumuten, man kann sich in seiner Liebe und Bewunderung spiegeln, man kann sich neben ihm stark fühlen, man kann es einem fremden Menschen überlassen, wenn es einem zu viel ist, man fühlt sich endlich im Zentrum der Beachtung, denn die Kinderaugen verfolgen die Mutter auf Schritt und Tritt. Wenn eine Frau bei ihrer Mutter all diese Bedürfnisse unterdrücken und verdrängen musste, so mag sie noch so gebildet und guten Willens sein, auch wissen, was ein Kind braucht, bei ihrem eigenen Kind regen sich ihre Bedürfnisse aus der Tiefe ihres Unbewussten und drängen nach Befriedigung. Das Kind spürt es deutlich und gibt sehr früh auf, die eigene Not zum Ausdruck zu bringen.

A. Miller, Das Drama des begabten Kindes und die Suche nach dem wahren Selbst.

So, wie wir als Kinder behandelt werden, so behandeln wir uns während unseres ganzen restlichen Lebens.

Alice Miller, Am Anfang war Erziehung

aus John Bradshaw, Wenn Scham krank macht:

Wenn ein Kind nicht liebevoll behandelt wird, verliert es mit der Zeit das Gefühl, etwas Kostbares und Unvergleichliches zu sein.

Der Hauptfaktor, der dafür verantwortlich ist, dass jemand ein erwachsenes Kind wird, ist die Vernachlässigung der entwicklungs- bedingten Bedürfnisse, die nur durch die Bezugspersonen befriedigt werden können. Wir wachsen heran, sehen wie Erwachsene aus, wir gehen und reden wie Erwachsene, aber unter der Oberfläche verbirgt sich das kleine Kind, das sich leer und bedürftig fühlt, ein Kind, dessen Bedürfnisse unersättlich sind, weil es die Bedürfnisse eines Kindes im Körper eines Erwachsenen sind.
Das unersättliche Kind ist der Wesens- kern allen Zwangs- und Suchtverhaltens.


aus Wayne W. Dyer, Der wunde Punkt:


Wenn Sie das nächste Mal wieder vor der Entscheidung stehen, ob Sie nun die Entscheidung für sich übernehmen und Ihre eigene Wahl treffen sollen, dann legen Sie sich selbst eine gewichtige Frage vor: "Wie lange werde ich tot sein?"
Von dieser Ewigkeitsperspektive her wird es Ihnen dann gelingen, Ihre persönliche Wahl zu treffen und alle Sorgen, Befürchtungen, Zweifel, ob Sie sich denn das auch wirklich leisten können, sowie alle Schuld- gefühle denen zu überlassen, die ewig zu leben gedenken.
Falls Sie sich nicht zu diesem Schritt entschließen, müssen Sie sich auf ein Leben gefasst machen, in dem immer andere sagen werden: "Du musst ..."


Kein Mensch behandelt ein Auto so dumm wie einen anderen Menschen. Wenn das Auto nicht läuft, so schreibt er dieses ärgerliche Verhalten nicht der Sünde zu. Er sagt nicht: "Du bist ein verworfenes Auto, und ich werde dir kein Benzin mehr geben, bis du wieder gehst." Er versucht vielmehr, den Fehler zu finden und ihn zu beheben.
Bertrand Russell

Zu den schwierigsten und undankbarsten Patienten gehören nach meiner Erfahrung die sogenannten Intellektuellen; denn bei ihnen weiß die eine Hand nie, was die andere tut.
Mit einem durch kein Gefühl kontrollierten Intellekt lässt sich alles erledigen ...
C.G. Jung, Erinnerungen, Träume, Gedanken


Mittwoch, 17. Oktober 2007

Dankbarkeit - Anker für unsere Gegenwart


Tom Costa verdanke ich eine wunderbare Einsicht in die Bedeutung von Dankbarkeit. In dem Buch von L. Hay mit dem Titel "Dankbarkeit erfüllt mein Leben" erzählt er, wie er als junger Pfarrer einem Mann begegnete, der alles hatte, was es zum Leben brauchte. Er besaß ein Haus, war beruflich erfolgreich, erfreute sich guter Gesundheit, spielte täglich Tennis, hatte unlängst eine liebe Frau geheiratet, hatte Geld genug, um sich Wünsche zu erfüllen — dennoch war er depressiv und unglücklich.
Costa wusste nicht, was tun. Im Laufe der Zeit erkannte er jedoch, woran es dem Mann mangelte: an Dankbarkeit.Er schreibt:
"Ich erinnere mich noch genau, wie ich vor Jahren die sogenannte Fünfte Stufe des zwölfstufigen Programms der An­onymen Alkoholiker durchführte. Bei der Fünften Stufe hört sich jemand, etwa ein Geistlicher, den Lebensbericht des Al­koholikers bis zu der Zeit an, als er sich seinen Alkoholismus eingestand. Eine junge Dame bemerkte mir gegenüber: »Man kann nicht zugleich dankbar und unglücklich sein.«Ich war zu der Zeit wahrscheinlich 40 Jahre älter als sie, aber ich war spirituell überwältigt. Ich hatte diesen »Einzeiler« noch nie gehört, und er klang überzeugend! …Während ich über diesen Satz nachdachte, fiel mir meine katholische Erziehung und der Rosenkranz ein. Ich persön­lich habe jetzt das, was ich einen geistigen Rosenkranz der Dankbarkeit nenne. Ich zähle die »Perlen« oft morgens bei meinen Meditationen und Gebeten."
"Man kann nicht zugleich dankbar und unglücklich sein", das bedeutet auch:Wer nicht glücklich sein kann, dem fehlt es womöglich grundsätzlich an Dankbarkeit.Ein mindestens ebenso wichtiger Aspekt ist für mich die Lehre, die ich aus der Situation des Mannes ziehe, wie sie Costa geschildert hat, nämlich, dass wir durch Dankbarkeit etwas in einem positiven Sinn erst wirklich besitzen, es als Bereicherung erfahren, reicher werden. Vorher haben wir alles Mögliche einfach nur: Wir haben ein Motorboot, wir haben ein Haus, wir haben eine Ehe, wir haben Kinder …
Erst aber durch Dankbarkeit erfahren wir das alles als Reichtum, sind wir bereichert und wahrhaft reich. Diese Form von Reichtum kommt durch jedes Nadelör!
Dankbarkeit ist in Wahrheit die Nabelschnur zu unserem Glück, zu unserem inneren Reichtum, zu dem, was uns ausmacht.Noch mehr:Wenn wir danken, sind wir des Wertes von Leben gewärtig, wir befinden uns dankend immer in der Gegenwart; Dank ist verankert im Hier und Jetzt.Die Wurzeln der Dankbarkeit wurzeln mitten im Leben.Beide Hände - aufgenommen ist oben das Werk eines Holzschnitzers - symbolisieren, was ebenfalls gilt:
Dankbarkeit und Demut sind wie Bruder und Schwester – sie gehören zusammen.


Es gibt ein Lied, das mittlerweile in 25 Sprachen übersetzt ist und mit dem sein Verfasser, der Theologe und Kirchenmusiker Martin G. Schneider 1961 den 1. Preis im Rahmen eines Liederwettbewerb der Evangelischen Akademie Tutzing bekam – ich finde es wunderschön:

Danke für diesen guten Morgen,
Danke für jeden neuen Tag,
Danke, dass ich all meine Sorgen
auf dich werfen mag.


Danke für alle guten Freunde,
Danke, o Herr, für jedermann.
Danke, wenn auch dem größten Feinde
ich verzeihen kann.


Danke für meine Arbeitsstelle,
Danke für jedes kleine Glück,
Danke für alles Frohe, Helle
und für die Musik.


Danke für manche Traurigkeiten,
Danke für jedes gute Wort.
Danke, dass deine Hand mich leiten
will an jedem Ort.


Danke, dass ich dein Wort verstehe,
Danke, dass deinen Geist du gibst,
Danke, dass in der Fern und Nähe
du die Menschen liebst.


Danke, dein Heil kennt keine Schranken,
Danke, ich halt mich fest daran,
Danke, ach Herr, ich will dir danken,
dass ich danken kann.

Dankbarkeit ist ein großes Gefühl.

Hat nicht in Wirklichkeit derjenige, dem Dankbarkeit mangelt,
in ganz besonderem Maße eine Aufgabe auf der Ebene der Gefühle zu lösen?

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